von Jette Lübeck
[…] So diskutierten die Helden und versuchten, sich gegenseitig mit ihren Erlebnissen und Heldentaten zu übertrumpfen. Eris war ganz verzückt und labte sich an dem Wortgefecht. Auch nach so langer Zeit machte es ihr immer noch Spaß, Menschen streiten zu sehen. Der Tonfall unter den Männern wurde lauter und heftiger. Alle anderen um sie herum waren verstummt, die ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf sie. Bis plötzlich die Göttin Pallas Athene in Gestalt einer einfachen Magd erschien. Sie hatte Eris‘ Spielchen bemerkt und bedeutete der Göttin der Zwietracht nun zu verschwinden. Eris hatte Athene unter ihrer Verkleidung erkannt und wusste, dass Athene wieder die Spielverderberin spielen würde. Eris machte sich also aus dem Staub, bevor Pallas Athene die Zankerei der Männer unterbrach:
„Töricht seid ihr, oh ihr großen Helden und Eroberer, zu glauben, ihr wäret bewundernswert, Ihr wisst doch nicht einmal, was genau das bedeutet. Bemitleidenswert trifft es viel besser.“
Sie deutete auf Theseus. „Du hast den Minotaurus besiegt, ja. Doch ohne die Hilfe der klugen Königstochter Ariadne und ihren roten Faden wärest du wahrscheinlich selbst in dem Labyrinth verendet.“
Sie wandte sich an Herkules. „Du, Sohn von Zeus, sagst, du hast durch die Bewältigung der zwölf Aufgaben Ruhm und Ehre erlangt. Ich aber sage, du hast über zwölf Jahre deines Lebens damit verschwendet, einem feigen und verschlagenen König zu dienen, der weder diesen Titel noch den Thron selbst verdient hat.“
Athene kam richtig in Fahrt. „Und du, Held Perseus, hast die Stadt Athen auch nur mit Hilfe ihrer Schutzgöttin befreien können. Wobei, befreien ist das falsche Wort. Medusa war eine unglückliche, missverstandene Kreatur. Sie war verflucht. Ihr Tod war wohl eher eine Erlösung. Und ganz zu Recht wird sie in Zukunft viel präsenter sein als du. Sie wird unzählige Male in den verschiedensten Variationen die Haut der Menschen schmücken, die den Namen ihres „Erlösers“ nicht einmal kennen werden.“
„Und du, oh großer Achilles, magst viele hunderte Kämpfer im Krieg getötet und auch viele Städte erobert haben, doch in den Köpfen der Menschen wird nur eines hängen bleiben. Dein Tod. Dein unglücklicher Tod, verursacht durch eine Unaufmerksamkeit deiner Mutter beim Versuch, dich unsterblich zu machen. Deine Ferse bleibt im Gedächtnis. Nicht deine Siege.“ […]
© Jette Lübeck 2023-01-09