Der Zankapfel 2.0 – Teil ⅓

Jette Lübeck

von Jette Lübeck

Story

Eris, die Göttin des Zankes und des Streites, hielt es vor Langeweile auf dem Olymp nicht mehr aus, sie brauchte Abwechslung. Nun, da es damals mit dem goldenen Zankapfel, den sie auf einer Hochzeitsfeier mit der Aufschrift „Für die Schönste am Tisch“ über eben diesen hatte rollen lassen, so gut geklappt hatte – immerhin war das der Auslöser eines zehn Jahre andauernden Krieges, der im Niedergang Trojas endete, gewesen -, dachte sie sich: den Spaß kann ich mir doch noch einmal erlauben. Sie war jedoch nicht sicher, ob die anderen Göttinnen ein weiteres Mal auf den gleichen Trick hereinfallen würden, deswegen wandte sie sich den Menschen zu. Menschen sind dumm. Sie lernen nicht einmal aus Fehlern, die sie selbst begangen haben. Eris wusste, dass just zu dieser Zeit einige der größten Helden Griechenlands zusammensaßen, um ihre ruhmvollen Siege zu betrinken. Also flog sie hinunter in den Palast in der Unterwelt, in dem die alten Kämpfer nach ihrem Tod nun wieder vereint an einer langen, reich gedeckten Tafel saßen und mischte sich unter die Bediensteten. Alle waren sie da, saßen zusammen und tranken Wein: Achilles, Herkules, Odysseus, Perseus, Theseus und viele mehr. Der Pegel war schon relativ hoch und es herrschte ausgelassene Stimmung. Die Helden erzählten unter den bewundernden Blicken der Frauen und Männer von ihren Heldentaten. Eris erkannte Potential für ihr Vorhaben; sie zauberte heimlich einen goldenen Apfel aus dem Ärmel ihres Gewandes und ließ ihn unauffällig über den Tisch rollen. Er trug die Aufschrift „Für den Bewundernswertesten der Tafel“. Herkules, Achilles, Theseus, Perseus und Odysseus sahen den Apfel und alle fünf griffen danach. Sie alle beanspruchten ihn für sich selbst.

Theseus ergriff das Wort und sagte, er habe den wildgewordenen Minotaurus besiegt, für den sogar eigens ein Labyrinth gebaut und dem regelmäßig Menschen geopfert worden waren. Herkules fiel ihm ins Wort und prahlte mit den zwölf unerfüllbaren Aufgaben, die König Eurystheus ihm gestellt und die er alle erledigt hatte; sogar den Vater des Minotaurus, den wilden Stier von Kreta, hatte er lebendig gefangen und dem König in seinen Palast gebracht. Perseus unterbrach ihn und rief stolz, er habe Athen von der schrecklichen Medusa befreit, der Frau mit den Schlangen auf dem Kopf, bei deren Anblick jeder zu Stein erstarrt war. Achilles winkte ab und erwiderte, er sei der beste Kämpfer im Krieg um Troja gewesen; durch seine Hand seien die meisten Gegner in den Hades geschickt worden. Odysseus, der sich bis jetzt dezent zurückgehalten hatte, sagte nun, ohne ihn und sein Trojanisches Pferd hätten die Griechen die Stadt Troja niemals erobert und der Krieg hätte noch viele Jahre gedauert und noch zahlreiche Opfer gefordert. […]

© Jette Lübeck 2023-01-09

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