Der zukünftige Schwiegerdrachen

Christine Büttner

von Christine Büttner

Story

„Mutter, darf ich dir meine Freundin Christa vorstellen!“, sagte mein Schatz und ich freute mich sehr, seine Familie kennen zu lernen. Ein durchdringender Blick heftete sich auf mich, von oben bis unten wurde ich gemustert und dann ein Händedruck – ja, ich war in diesem Kreis nicht gerade willkommen. Sie ließ mich deutlich spüren, dass mein Kleidergeschmack nicht dem ihren entsprach. Die abwehrende Haltung war nicht zu übersehen, aber da musste ich durch. Der zukünftige Schwiegervater betrachtete mich wohlwollend und drückte mir fest die Hand. Sein sonniges Wesen gefiel mir, er kam mir offen entgegen und ich bemerkte, dass er mich neugierig betrachtete.

Endlich setzten wir uns an den Tisch in der gemütlichen Gaststube. Ich beschloss, auf der Hut zu sein, wenig zu reden und mich im Hintergrund zu halten. Immerhin war ich über 21 Jahre alt, Helmuth und ich waren schon fast ein Jahr befreundet und ich wünschte mir, dass sich der Abend positiv entwickelte.

Deshalb konzentrierte ich mich auf die Speisekarte und überlegte, was ich essen sollte, denn eigentlich war mir vor Aufregung jegliches Hungergefühl abhanden gekommen. Da musste ich durch, deshalb entschied ich mich für einen gebackenen Kabeljau mit Kartoffelsalat, die Nachspeise ließ ich aus. Die Unterhaltung plätscherte mehr als stockend dahin, die frostige Atmosphäre umfing mich zeitweise wie eine Wolke.

Während des Essens fühlte ich mich wie bei einem Interview, denn da gab es viele Fragen, die auf mich einstürmten. Ob es sich um die Eltern, den Bruder, das Wohnen, das Studium handelte, alles wurde hinterfragt und musste besprochen werden. Ich fühlte mich wie in einem Karussell, das sich immer schneller zu drehen begann.

Dann aber kam der Hammer, denn die Unterhaltung wurde nach kurzer Zeit auf einige verflossene Freundinnen ihres Sohnes gelenkt. Sie hatte von da an die Trümpfe in der Hand und genoss es sichtlich, wie unangenehm mir dieses Thema war. Ich sagte nichts mehr, sondern hörte nur zu, alle mussten wahre Traumfrauen gewesen sein. Innerlich kochte ich vor Wut und fand es gemein, dass mein Freund von seiner Mutter so vorgeführt wurde.

Um meine Fassung wieder zu gewinnen, flüchtete ich auf die Toilette, denn am liebsten hätte ich losgeheult. Helmuth wartete im Gang auf mich und sagte: „Pass‘ auf, jetzt geht es los!“

Als wir wieder bei seinen Eltern angekommen waren, redete mein Freund wie ein Wasserfall, unterbrach seine Mutter ständig und teilte ihr freudestrahlend mit, dass wir einen längeren Urlaub in Ungarn planten. Die Informationen ließen meine zukünftige Schwiegermutter nach Luft ringen, denn ihre Giftpfeile hatten uns nichts anhaben können.

Noch heute lachen wir beide (wir sind inzwischen 43 Jahre verheiratet) über diese Begegnung der ganz besonderen Art. Heute weiß ich, dass seine Mutter sofort erkannt hatte, dass ihr Sohn es ernst mit mir meinte und damit hing die Furcht, den einzigen Sohn zu verlieren, wie ein Damoklesschwert über diesem Abend.

© Christine Büttner 2020-06-10

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