Der zweite Geburtstag

Jörg Gschaider

von Jörg Gschaider

Story

Mehrere 84 Stunden -Wochen am Stück lagen hinter mir. Anschließend hatte ich 10 Tage Urlaub. Den Urlaub hatte ich nicht genutzt, um mich zu entspannen, sondern um das zu Hause Liegengebliebene aufzuarbeiten. Immer vorwärts! Vollgas! Meine liebe Frau hatte mir die Psyche einer Sandviper attestiert. Ich würde schon wieder runterkommen – und heute war mein Tag. Ich hatte mit Fatmir verabredet nach Grado auf ein Bier zu fahren. Er war noch nie Sozius. Ich würde auf ihn Rücksicht nehmen.

Die K 100 gestartet. Oje, sie lief nur auf zwei Zylindern. Macht nichts! Heute war mein Tag! Und Fatmir würde jeden Moment eintrudeln. Außerdem war Kaiserwetter. Nach einigen Kilometern würde sich die BMW wieder einkriegen. Auf der Schnellstraße schienen die Motorbeschwerden eher zu, -statt abzunehmen. Es erschien mir ratsam eine Werkstätte aufzusuchen.

„Sie fahren nicht viel?“, hatte der Mechaniker gefragt. Während des Hausumbaus und den Strapazen in der Firma hatte ich tatsächlich keine Zeit gehabt. „Eine Einspritzdüse war verklebt und hat die Kerzen ruiniert. Jetzt funktioniert‘s wieder:“ Fein!

Wieder auf der Autobahn, kam es mir so vor, als ob der Motor neuerlich zu stottern begänne. Bildete ich mir das ein? Eine Baustelle, Tempo 80. DIE Gelegenheit, den Drehzahlmesser im Auge zu behalten und in den Spiegel zu sehen, ob der Auspuff gar blaue Wölkchen auspustet. Rechts begrenzten Leitplanken und links eine Betonbegrenzung äußerst knapp die Fahrbahn. Weit vor mir hatte sich eine Kolonne gebildet.

Ein paar Meter noch mit Tempo 80 und dann: Scheiße, die stehen ja! Ich hatte keine Bremslichter gesehen und niemand hatte die Warnblinkanlage eingeschaltet. Es gab keine Möglichkeit auszuweichen, irgendwie an den stehenden Fahrzeugen vorbeizukommen. Eine Vollbremsung – und finster war es geworden. Als ob jemand das Licht ausgeknipst hätte.

Mir war, als hätte ich von einer Motorradtour geträumt, als ich wach geworden war. „Was machen die vielen Leute da?“, fragte ich mich. „Scheiße, ein Unfall!“, war mir mit einem Male klar geworden. Wie es sich herausstellen sollte, bin ich in einen Wagen gekracht, hab mit dem Kopf dessen Heckscheibe durchschlagen und bin wieder zurück auf den Asphalt geschleudert worden. Einige Fahrzeuge hab ich dabei ineinander verschachtelt. Fatmir hat die Kolonne überflogen und ist relativ glimpflich gelandet.

„Lass ihn liegen“, hörte ich jemanden zu jenem sagen, der sich an meinem Helm zu schaffen machte. „Wer weiß, was er hat! Die Rettung ist eh gleich da.“ Ich verfiel neuerlich in tiefe Bewusstlosigkeit.

In der nächsten Szene lag ich bereits auf einer dem Rettungsfahrzeug zugehörigen Bahre. Von Dress und Helm befreit, an Infusionen angeschlossen. „Jetzt bin ich in guten Händen“, dachte ich mir. Und Fatmir? „Wo ist Fatmir?“, hörte ich mich fragen. Er stand neben mir und als ich fragte, trat er lächelnd in mein Gesichtsfeld. Na Gott sei Dank! Die Fahrt ins Krankenhaus hab ich wieder „schlafend“ zugebracht.

© Jörg Gschaider 2021-10-22

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