Dersu Uzala

Story

Was soll das denn sein, werdet ihr euch denken. Gleich!

4 Jahre lang arbeitete ich in einem tollen Job in München, bei GLORIA-Film, direkt am Stachus. Das berühmte gleichnamige Kino gibt’s noch immer dort. Hier fanden in den 50er und 60er Jahren die großen Filmpremieren statt und die Besitzerin, Frau Ilse Kubaschewski, die „Königin des deutschen Films“, hielt hier Hof.

1973 wurde GLORIA an Amerikaner verkauft, um – für mich damals sagenhafte – 5 Millionen Deutsche Mark. Ich saß an der Schreibmaschine und füllte den Scheck mit dieser Zahl aus. Mein Job sollte 1 bis 2 Tage dauern, hieß es in der Teilzeitagentur, die ihn mir verschaffte. Englisch und Maschineschreiben war gefragt. Dass ich nur das „Adler-Suchsystem“ beherrschte, verschwieg ich. Nachdem ich den Scheck ausgefüllt hatte, hieß es: Sie können sich jetzt Ihr Geld abholen. Am Gang dorthin jedoch fing mich ein „alter Herr“ (wahrscheinlich damals um die 50) ab, erkundigte sich nach meinem Woher und Wohin. Er war Kärtner und fragte nur: Wollen Sie meine Sekretärin werden ? Es war der neue Pressechef von GLORIA und aus meinem 1,5 Tage-Job wurden 4 Jahre.

Einer der tollsten Filme von GLORIA war „Dersu Uzala“. Er bekam Auszeichnungen beim Filmfestival in Moskau und den „Oscar“ als bester ausländischer Film. Der Hauptdarsteller Dersu Uzala war ein sibirischer Schauspieler namens Maxim Munzuk. Er sprach weder Deutsch noch Englisch und so wurde ich – mit meinem abgebrochenen Russischstudium – zu seiner ständigen Begleiterin in Frankfurt, wo am 12.Nov. 1976 die Deutschland-Premiere stattfand.

Regisseur war der Japaner Akira Kurosawa, der „Tenno“ (Kaiser) des japanischen Films. Von ihm sind die legendären Samurai-Filme. „Dersu, der Kirgise“, wie das Werk auf Deutsch hieß, war eine russisch-japanische Koproduktion und Mr. Kurosawa und sein Produzent kamen direkt von den Filmfestspielen in Moskau nach Frankfurt. Ich holte sie vom Flughafen ab und hatte die unglaubliche Ehre, den Abend mit den beiden japanischen Gentlemännern zu verbringen.

Es war damals diplomatische Eiszeit zwischen der UdSSR und Japan wegen eines Grenzstreites am Ussuri. So beschloss mein Chef, der sehr trinkfest war, sich den Russen und ihren Wässerchen zu „widmen“ und ich sollte die Japaner „übernehmen“. Wir drei wurden in ein Extrazimmer gesetzt.

Ich hatte dann den ganzen Abend lang Mühe, Herrn Kurosawa von der sofortigen Abreise abzuhalten. Er war entsetzt darüber, wie seine wunderschöne, großartige, episch breite Ballade von unserem General Manager – um mehr Menschen ins Kino zu locken – als „Ostern“ – „östlicher Western“ verkauft wurde. Auch mir war das peinlich und ich verstand seinen Unmut. So versuchte ich ihm zu erklären, dass wir alles daran setzen wollten, um seinen wunderbaren Film einem breiten Publikum schmackhaft zu machen. Das ging natürlich „in die Hose“. Wir drei „Japaner“ wußten es. Aber Kurosawa hielt durch bis zum Schluss.

Für mich war es eine Sternstunde meines Lebens.

© 2019-07-04

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