Desinfektionsmittel oder Leben?

Figaro

von Figaro

Story

Ein Besuch im Baumarkt oder beim Blumengroßmarkt war für mich fast immer ein freudiger Ausflug. Dort kaufe ich Emotion. ZB.Pflanzen, die ich in Zukunft pflegen und zum Wachsen bringen werde. Gegenstände, Werkzeug& Material, das ich ver-oder bearbeiten werde und für meinen Lebensraum benötige. Dieses freudige Erlebnis ist wohl für die nächste Zeit Geschichte. Es ist eher zu einem Spießrutenlauf mutiert. Stay safe at the Baumarkt.

Das Parken war das Einzige was mich an Früher erinnert hat. Dann geht’s los im Lastenaufzug. Klar markiert wo man als maskierter Einkäufer richtig steht, um den Sicherheitsabstand korrekt einzuhalten. Bloß nicht über die Linie gehn. Die Linie der Sicherheit. Meistens ist sie gelb-schwarz. Alarm! Niemand spricht. Man schaut sich irgendwie verloren und zuweilen ängstlich an. Aber nur kurz. Wegschauen ist zur Zeit umgänglicher. Bloß nicht zuviel Kontakt. Dann wird man durch einen Einweiser, wieder nach draussen in einen Korridor aus Metallabsperrungen die mit Plastikfolie bespannt sind, gelenkt. Auf der anderen Seite angelangt, wird man erst nach Aufforderung und ausschließlich MIT Einkaufswagen, nach einer Gesichtsmaskenkontrolle, in den Markt eingelassen. Der Einkaufswagen wird durch den Einweiser am Griff desinfiziert. Hände auch? „Nein, danke!“ Meine Hände sind sauber und gewaschen. Die Prognosen der Wissenschaftler, in Bezug auf die übersteuerte Verwendung von Händedesinfektion, so wie wir das derzeit betreiben, sind beängstigend in Bezug auf künftig multiresistente Keime.

Ich hab’s geschafft. Ich bin drinnen!

Dann beginnt der Slalom oder der Schlangenlinienparkour durch die manchmal breiten aber meist eher schmalen Gänge. Ausser man nimmt vorwiegend die Hauptrollrouten. Und immer schön auf den Abstand achten, der Einkaufswagen hilft einem sehr dabei. Die Mütter mit Kinderwägen wissen genau wovon ich spreche. Bahn frei, ich komme! Aber kein Einkauf ohne Warten. Am besten man bewegt sich um 50% langsamer als man es sonst tun würde und man ist gut dabei. Die Schilder sagen „Zur Zeit keine Beratung möglich!“ Alles klar, ich komme auch allein zurecht.

Nur wenn’s um den schönsten Bambus geht, da kennen wir nix. Da vergessen wir die gelb-schwarze Linie und kämpfen um den Schönsten, den Dichtesten, den Höchsten. Da wird nicht gewartet. Da sagt man auch nicht „Entschuldigung, darf ich kurz?“ Wer sich zuerst oder besser ausbreitet hat die Abstandsregelung für sich gewonnen. Ich schnapp mir einen und mach mich am Weg zu meinem Wagerl. Das hatte ich geschickt geparkt. Das einzig Sinnvolle was man machen kann um nicht ganz zu verzweifeln. Meine Brille beschlägt in einer Tour und die Maske erschwert mir das Atmen. Es ist heiss. Meine Einkäufe rollen mit mir die Hauptrollroute, den einzigen nummernlosen und doch so wichtigen Gang zur Kassa. Alle steigen heilfroh, dass sie es geschafft haben, in den Aufzug und fahren der Freiheit entgegen.

Mehr Leben, weniger Desinfektionsmittel .

© Figaro 2020-04-22

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