Det is Berlin

Brigitte Böck

von Brigitte Böck

Story

Nachdem ich gestern eine etwas schwere Geschichte schrieb soll es heute etwas Leichteres sein. Zwei wahre Begebenheiten aus dem oft skurillen Berlin:

Erste Episode:

Komme von einem Besuch aus dem Hospiz in Berlin-Neukölln. Die S-Bahn ist voll, viele Menschen müssen stehen. Vor mir an der Tür steht eine Dame, ich sehe sie nur von hinten, neben mir steht ein junger Mann mit einem süffisanten Grinsen. Die Dame vor mir hat blonde, längere Haare, schlank, mit einem hübschen Mantel und Schuhe mit halbhohen Abdätzen, eine attraktive Erscheinung.

Ich sehe gerade noch, wie der junge Mann ihr in den Hintern kneift…. Da dreht sich die Frau um, sie ist älter, als ich dachte, nimmt ihre Zähne raus und grinst den jungen Mann an, völlig uneitel und mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit. Sie sagt grinsend zu ihm:“ Willste ’n Kuss?“ Dem Mann entgleist total das Gesicht, er ist völlig fassungslos und will sofort aussteigen. Die Frau versperrt ihm den Weg und grinst ihn weiter an. Er muss noch eine weitere Station mitfahren. Erst kurz vor dem nächsten Bahnhof setzt sie ihre Zähne wieder ein und sagt laut zu dem Wüstling: “ So bald werd’n se wohl keener Frau mehr an den Arsch greifen!“

Der Zug hält, wortlos und noch mit verstörtem Gesicht steigt der junge Mann aus. Er bleibt, scheinbar völlig orientierungslos, auf dem Bahnhof stehen. Alle Fahrgäste, die das mitbekommen haben klatschen begeistert Beifall, es fallen Worte wie: „Super, Klasse, tolle Idee, det Schwein macht det nicht noch mal, geschieht ihm recht….“

Die Dame sagt: „wat soll man denn in meenem Alter sonst gegen solche Idioten tun, det wirkt immer, hab ick jemerkt.“ Dann stieg sie lachend aus.

Ich hab den Mut und das Selbstbewusstsein der Frau bewundert. Ich denke, diese Reaktion ist aufgrund von solchen Erfahrungen entstanden. Wie schön, wenn Menschen in der Lage sind, auf so etwas mit besonderem Humor zu reagieren.

Zweite Episode:

Busfahrt über längere Strecke. Ein junges Mädchen telefoniert mit ihrer Freundin und erzählt ganz unverblümt über die letzte Nacht mit ihrem neuen Freund. Ein etwas älterer Mann sagt laut: „Können Sie etwas lauter sprechen, es ist ja so anstrengend, zuzuhören.“ Die Fahrgäste lachen, aber die Frau merkt davon wohl nichts. Da schaltet sich der Busfahrer per Mikrofon ein und meint:“ Komm se doch nach vorn, mit det Ding hier haben alle wat von. „Die junge Frau erschrickt und verlässt an der nächsten Haltestelle fluchtartig den Bus. “ Schade“ sagt der Fahrer, „jetzt wurde det ja jerade spannend!“ Lachend fuhren die Menschen ihrem Feierabend entgegen.

Es gibt viele Arten von Kreativität und die Berliner mit Herz und Schnauze haben wohl dazu eine besondere Begabung. Ich habe mir ein Heft zugelegt, in das ich diese kleinen Alltagsgeschichten immer eintrage. Wenn ich mal nicht so gut drauf bin, dann lese ich darin und meine Stimmung hebt sich. Oft finde ich diesen Moloch von Stadt ganz furchtbar, aber für solche Erlebnisse liebe ich es, hier zu leben.

© Brigitte Böck 2020-08-14