von KikiKirschblüte
Die Hitze der letzten Tage drückt sich still durch das Klassenzimmer, bis sie sich endlich auf den Stuhl am Lehrertisch fallen lässt und dort schwer atmend sitzen bleibt. Ich lasse es geschehen, weil mir Hitze, Sonne und all die bedrückenden Äußerlichkeiten eines scheinbar endlos vor mir liegenden Schultages im Moment einerlei sind. Da kracht plötzlich ein Geräusch in meine Zielorientierung und so schnell wie eine zerplatzende Seifenblase ist die Schülermotivation im Irgendwo entschwunden. Linus und seine Trinkflasche. Schuldbewusst und mit unschuldigem, verschmitzten Linus-Grinsen im Gesicht haucht er: „Tut mir leid.“ Und ich schleudere wie immer meinen Spruch: „Alle Flaschen in die Taschen“ hinüber in Richtung Linus-Bank. „Schildern“, das erste Thema in diesem Schuljahr. Die glitzernden Metaphern zum Thema „Am Meer“ verstecken sich weiterhin in den Schülerköpfen und warten darauf, vom Dornröschenprinzen wach geküsst zu werden. Der Prinz aber hat sich wohl im Labyrinth zu den Sphären des gehobenen Sprachstilolymps verlaufen. Ich gebe nicht auf, spaziere nun mit der Klasse hinauf auf den Sportplatz. Wie jedes Jahr. Die Jugendlichen sind froh, der bedrückenden Enge des Klassenzimmers zu entkommen, nur ist das Wort Lustlosigkeit heute wohl fast jedem auf die Stirn tätowiert ist. Der Sportplatz lockt. Und so tänzeln die quirligen Jugendlichen erstmal über den Rasen, bevor sie dann einen Platz im Schatten aufsuchen. Kein Volleyball, keine duftenden Gänseblümchenträume, kein Gespräch mit der besten Freundin. Ich formuliere die Aufgabe: Schildere deine Wahrnehmungen, hier, in diesem Moment, mit treffenden Wörtern. Einige konzentrierte Gesichter und einige Ritter und Ritterinnen im Kampf um die Lösung. Papier raschelt, Stifte fliegen. Kurze Pause, nur für mich. Grasgrün sind die Wiesen nach dem wiederkehrenden Landregen der letzten Wochen. Der Wald an den umliegenden Berghängen ist hier zum Glück noch nicht Opfer des Borkenkäfers. Der alte Burgturm zwinkert mir zu. Ob Rapunzel wohl schon wach ist? Ich fühle mich frei, atme den lieblichen Duft der Rosen dort drüben am Schulhaus. Ich mag Rosen und ich wünsche mir den Hausmeister aus dem Bild, der mit seinem nervenden Rasentraktorpferd die Rasenflächen abgrast. Wie Musik in den Ohren klingt das nicht gerade, höchstens wie Heavy Metall, und das passt gerade nicht zum Bild. Mit Alwin rede ich über die Bäume hier und Adjektive. Seine Blicke verraten seine Gedanken. Wahrscheinlich wünscht er mich auf den höchsten der Bäume. Ihm ist es egal, ob ein Baum tiefgrün, voll belaubt, vom Wind geküsst oder uralt ist. Nur die Lehrerin sollte im Blätterdach eingeschlossen sein. Erik reißt mich aus meinen Gedanken. Rennen will der Junge, eine Runde auf der staubtrockenen Aschenbahn. Und ich -, gebe irgendwann nach und schicke dann alle zurück ins Haus. Kein Rasenmähergebrüll mehr. Von Weitem dringen fröhliche Kinderstimmen aus dem Fenster über dem Sekretariat. Die Fünftklässler, die heute noch froh und munter dem Ernst des Lebens entgegen schauen. Wie ihnen wohl die neue Schule schmeckt? Ja, wie schmeckt eigentlich Schule? – Die Holztür fällt hinter mir ins Schloss. Ich freue mich auf schillernd schildernde Schülerideen an diesem Freitag.
© KikiKirschblüte 2024-09-20