von Dirgis
Es gab Komplikationen im KreiĂźsaal! Bei meinem Mann!!!
Er hatte Durst und es war heiß im Kreißsaal. Es gab nichts zu trinken. Seit Stunden stand er mir sorgend zur Seite. Er kämpfte anfangs geduldig gegen sein Durstgefühl an. Es wurde stündlich intensiver und er fühlte sich in einer Wüste der Ratlosigkeit. Ein Waschbecken war zwar vorhanden, aber der Wasserhahn speite nur lauwarmes Wasser aus. “Pfui Teufel!”, sprach er nach dem ersten Schluck und lehnte jede weitere Entnahme ab. Er wollte unbedingt ein kühles Getränk. Mein Mann wusste, dass es im Krankenhaus einen Getränkeautomaten gab. Schwitzend träumte er von eiskaltem Mineralwasser. Den Kreißsaal traute er sich aber nicht zu verlassen, um ja nicht die Geburt zu versäumen. Gedanklich ging er alle Möglichkeiten durch, um Trinkbares zu ergattern. Sonst war er mit Einfallsreichtum gesegnet, was dieses Thema betrifft. Aber dieses Mal kam ihm keine rettende Idee. Ich habe mich, egoistisch und geburtsorientiert wie ich bin, nicht darum gekümmert.
Die Hebamme ließ uns phasenweise allein, weil meine Wehen immer spärlicher kamen und im Nebenzimmer wurde gerade ihre Hilfe gebraucht. Sie hetzte nur sporadisch zu uns herein, um nach dem Rechten zu sehen. Bei einem ihrer Kurzbesuche warf der Kindeserzeuger gerade einen Blick aus dem Fenster und so entging ihm, dass sie mir ein Glas Wasser mit wehenfördernden Tropfen mitgebracht und auf den Beistelltisch gestellt hatte. Als er sich wieder auf mich konzentrierte, stach ihm sofort das Trinkgefäß ins Auge. Er bekam herzförmige Pupillen, als er kühle Wassertropfen am Rande des Glases abperlen sah. Ein durstiger Vater muss sofort handeln. Er schnappte sich das Gefäß und gönnte sich ein paar kräftige Schlucke. “Lecker!” sagte er und wischte sich zufrieden mit dem Handrücken den Mund ab. Er stellte das halbleere Glas zurück. Ich starrte ihn mit offenem Mund an. “Bist du verrückt, du hast gerade meine wehenfördernden Tropfen getrunken!” “WAS?” stotterte er und hielt sich die Hände auf den Bauch, während er fieberhaft im Zimmer auf und ab lief. Er beobachtete hektisch, ob seine Körpermitte bereits auf die Tropfen reagierte. Dann hüpfte er wie ein elektrisiertes Känguru durch den Raum und jammerte wie ein Schlosshund.
Er: “Hilfe, jetzt kommen sicher gleich diese schmerzhaften Wellen, ahm Wehen!“
Ich: “Hallooho! Du bist ein Mann! Schon vergessen? Keine Gebärmutter- keine Wehen, hmmh?”
Um sich zu beruhigen, atmete er ein und aus und ein und aus… Es wirkte. Er konnte sich sogar wieder daran erinnern, dass ich, die Mutter seines im Geburtskanal befindlichen Kindes, Aufmerksamkeit brauchte.
Ich: “Wie soll ich jetzt zu meiner vollständigen Dosis an Tropfen kommen? Ich kann der Hebamme doch nicht sagen, dass ich nochmals welche benötige, da du das Gemisch getrunken hast! Mensch, ist das peinlich!”
Er: “Jetzt wollen wir mal nicht zimperlich sein, schlieĂźlich geht’s um unser Kind!”
Ich: “Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt, oder?”
© Dirgis 2021-04-09