Dichter und Denker

Ich stehe an der Zapfsäule und möchte tanken. Ich fahre einen Mietwagen, auf dessen Tankdeckel “Diesel” steht. Ich begutachte den Schriftzug eine Weile: “Diesel”, murmele ich vor mich hin. Das Wort hat einen Grund, dort angebracht zu sein. In der Vergangenheit muss jemand Benzin statt Diesel getankt haben. Daraufhin entstand der Firma der Mietwagen ein Schaden und sie ließen das Wort “Diesel” anbringen. Der Zapfhahn ist bei Diesel größer, von daher kann man schwer Diesel in einen Benzinmotor füllen, ohne den Kraftstoff über das Auto zu verteilen. Obwohl das wahrscheinlich auch schon jemand geschafft hat. Sonst würden im Inneren des Tankdeckels kein Hinweis auf “E95” oder “E10” stehen.

In der Geschichte der Menschheit gab es viele große Dichter und Denker. Die einen erfolgreicher, die anderen nicht so. Der Amerikaner Russell E. Oakes erfand einen Kopfhörer, mit dem man seinen Hintermann belauschen konnte. Das Gerät war allerdings so groß, dass es sofort aufgefallen wäre und ging somit nie in eine Massenproduktion. Sung Woo Park hingegen erfand eine Parkbank, die sich durch eine Kurbel drehen ließ. Die Sitzfläche war im Kreis angeordnet und ein Teil davon überdacht. Nach einem Regenschauer dreht man die Kurbel und schon hatte man wieder eine trockene Sitzfläche. Auf Erfindungen wie Feuer, Sprache, Zeitmessung, Buchdruck und Fahrrad brauchen wir gar nicht näher einzugehen. Es wird jedem klar sein, dass ohne diese Erfindungen wir nicht da wären, wo wir jetzt sind.

Neben den Dichtern und Denkern entstand eine Schattengesellschaft. Diese hat sich hauptsächlich darum gekümmert, jede Erfindung ausgiebig zu testen. So gibt es Mikrowellen mit dem Hinweis, dass man keine Katzen darin trocknen darf, weil es schon jemand versucht hat. So gibt es Becher, auf denen “Vorsichtig heiß” geschrieben steht, weil sich irgendein armer Kerl sich den ganzen Rachen verbrannt hat. Verpackungen werden mit “hier öffnen” beschriftet, weil der Mensch sie sonst wie ein Berserker zerfetzen würde. Es gibt Türen, auf denen “Ziehen” geschrieben steht, damit man auch ohne Ausprobieren weiß, in welche Richtung sich die Tür öffnet. Trotzdem schaffen wir es weiterhin, mit aller Gewalt an der Tür zu rütteln, weil sie nicht aufgeht. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Tür aufgehen muss. Das nennt sich der Dunning-Kruger Effekt. Er besagt, dass inkompetente Menschen aufgrund ihrer Inkompetenz nicht in der Lage sind zu erkennen, dass sie inkompetent sind.

“Wird das heute noch was?”, ruft mir der Mann aus dem Wagen hinter mir. Ich schüttele meinen Kopf, als würde ich die Gedanken damit loswerden können. Ich winke dem Mann freundlich zu und mustere ihn kurz. Er sieht aus, als könnte er Benzin in einen Dieselmotor kippen. Auf jeden Fall rüttelt er an Türen, auf denen “Ziehen” geschrieben steht.