Die 60er

Armin Zastrow

von Armin Zastrow

Story

Die erste Verkehrsampel in unserer Kleinstadt hat unseren Opi so fasziniert, dass er über eine halbe Stunde lang den Schaltvorgängen zugesehen hat!

Viele Züge werden noch von Dampflokomotiven gezogen. Es gibt erste Kaufhäuser – eines sogar mit Rolltreppen. Ende der 60er eröffnet der erste ALDI-Markt. Der gleicht aber eher einem Warenlager, frische Lebensmittel sind noch nicht erhältlich.

„Oh Happy Day“ schmettern „Les Humphreys Singers“ in der Nacht des 20. Juli 1969, 3:56 MEZ. Ich höre die Reportage von der ersten Mondlandung nachts im Bett über Kopfhörer mit meinem Transistorradio. Auf das ich mächtig stolz bin. Hat es doch 7 Transistoren, nicht nur 2 wie die Geräte meiner Freunde. Und kann UKW und Mittelwelle. Und steckt in einem knallroten Lederetui und sieht klasse aus.

Zur Konfirmation: Ein Tonbandgerät. Voll transistorisiert und Vierspur. Bis zu 8 Stunden Musik auf einem Band. Zum Leidwesen meiner Eltern, die meinen Musikgeschmack nicht teilen. Irgendwann muss ich die kompletten Aufnahmen der Beatles und der Rolling Stones, der Who und der Small Faces löschen. Die Musik geht ihnen auf die Nerven. Und beeinflusst mein Verhalten negativ. Sagen sie.

Kalt ist es im Kinderzimmer, vor allem die Füße frieren. Eisblumen am Fenster. Unsere kleine Wohnung wird mit Kohle beheizt. Es gibt den großen Kachelofen im Wohnzimmer, der mit einem Heißluftschacht das angrenzende Kinderzimmer nur unzureichend erwärmt, den Kohleherd in der Küche und den Badeofen, der nur samstags für den „Familienbadetag“ angeheizt wird. Das Schlafzimmer der Eltern wird gar nicht beheizt. Dort sinken die Temperaturen in Winternächten schon mal auf unter 10 Grad ab.

Nach und nach bekommen wir einen Kühlschrank, ein Telefon, eine Wäscheschleuder. Gewaschen wird einmal wöchentlich am „Waschtag“ im großen kohlebefeuerten Kessel in der Waschküche. Einen Fernseher gibt es bei uns lange Zeit nicht, bis ich 17 bin.

Mädchen interessieren mich, seit ich etwa 13 Jahre alt bin. Aber ich bin viel zu schüchtern, meine Gefühle zu zeigen und zu gestehen. Und als mich dann, mit 16, auf einer Klassenfete ausgerechnet das Mädchen meiner Träume zum Tanz auffordert, obwohl ich doch gar nicht tanzen kann, ist das ein Ereignis, dass mich erschüttert wie ein Erdbeben. Es hat sich nichts daraus entwickelt. Und doch werde ich diesen Tanz mein ganzes Leben nie wieder vergessen.

© Armin Zastrow 2020-06-28