Die altmodische Liebe- Teil 1

Sandra Amling

von Sandra Amling

Story
Deutschland 1959 – 2015

Ich entführe dich in eine Zeit fernab vom Internet, Social Media oder Dating-Apps und erzähle, wie es war, als sich meine Großeltern kennengelernt haben.

Es war Winter 1957. An einem beschaulichen und verschneiten Tag lief ein junges Mädchen im Alter von 15 Jahren über einen Weihnachtsmarkt. Die Lichter leuchteten hell, und weihnachtliche Stimmung kam auf. Man roch gebrannte Mandeln, und man konnte selbst hergestellte Waren dort erwerben. Sie ging durch die Menschenmenge und sah einen Jungen in ihrem Alter. Braunes Haar, leicht hoch-frisiert, wie damals Elvis Presley auch seine Haare trug. Schlichte, aber elegante Kleidung. Sie ging an ihm vorbei, und eine magische Anziehung ging von ihm aus. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an diese einmalige und einzigartige Begegnung. Würde sie ihn wiedersehen? Ist er aus der Gegend? Wohnt er in derselben Stadt? Einen Jungen als so junges Mädchen anzusprechen war undenkbar, und stalken auf Instagram war nicht möglich.
Damals war es gang und gäbe, dass in der Jugendgruppe jeden Sonntag die Kirche zum Wochengebet aufgesucht werden musste. Die Jungen und die Mädchen wurden akribisch voneinander getrennt, um jeglichen unsittlichen Kontakt vorzubeugen. Zwei Wochen nach der ersten Begegnung sah das junge Mädchen, dass er auch zur Kirche ging. Also war ihr klar, dass sie derselben Konfession angehörten. Die Mädchen saßen auf den unteren Rängen der Kirche und die Jungen auf der oberen Empore der Kirche. Ihr war klar, dass er sie von oben beobachten konnte. Ihr Herz klopfte wie wild und ließ sie kaum die Texte aus der Bibel aussprechen. So aufgeregt war sie, dass sie ihr Herz schlagen hätte hören können. Nach dem Gottesdienst gingen sie alle wieder nach Hause, sie konnte ihn aber nicht genau erblicken. Sie hätte mit ihm nie vor den anderen Besuchern ansprechen können. Da hätte jeder getuschelt. Und für so ein junges Mädchen zierte sich so etwas nicht.
Als sie einige Wochen später durch die Stadt spazierte, sah sie ihn im Park. Doch nicht allein, ein anderes Mädchen schmückte seine Seite, und in ihr fing es an auf zu brodeln vor Eifersucht. Aber warum Eifersucht? Sie kannte ja nicht einmal seinen Namen. Dies musste geändert werden. Sie versuchte durch unauffällige Fragen in der Jugendgruppe herauszufinden, wie der junge Mann hieß. Ist aber nicht wirklich weitergekommen. Im Herbst lief sie erneut durch die Straße, und er lief ihr plötzlich hinterher. Das war nicht geplant, wir reden von einer Zufallsbegegnung. Sie blieb stehen und fragte ihn frontal: „Warum läufst du mir hinterher – ausgerechnet mir?“
Er meinte: „Ich gehe nur dieselbe Richtung, ich muss was erledigen.“
Das war der erste Wortwechsel, fast ein Jahr nach der ersten Begegnung. Jetzt war der Groschen gefallen, und sie musste herausfinden, wer er ist. Also ging sie vollen Mutes nochmal in die Jugendgruppe der Jungen und beschrieb der dort arbeitenden Sekretärin, wie ihr Traumprinz denn nun aussehen würde. Sie fand heraus, dass er im örtlichen Sportverein unterwegs war und konnte somit seinen Namen und seine Adresse herausfinden.



© Sandra Amling 2024-02-16

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Inspirierend