Die Angst packt dich

Anna Fock

von Anna Fock

Story

„Bitte geh nicht“, hauchte er. Erst war es nur ein Wispern, doch je weiter ich mich der Tür näherte, desto lauter wurde sein Ruf. Trotzdem, ich konnte diesem Drang nach Freiheit einfach nicht widerstehen. Und so drückte ich ohne zu zögern die Türklinke und entwand mich seinen Rufen. Es war, als hätte das alles nur auf mich gewartet: die kühle Nachtluft, die mir entgegen schwappte; die grellen Lichter dieser Stadt, die einfach viel zu hell waren für diese Nacht, und nicht nur für diese, für jede andere auch. In ihrem Schein tummelten sich zahlreiche Mücken; im Gegensatz zu mir schienen sie geradezu angezogen zu werden von diesem Licht. Neben den Straßenlaternen gab es aber noch unendlich viele andere Lichter: Ein endloses Lichtermeer, das sich über den ganzen Hügel zu erstrecken schien, egal in welche Richtung ich schaute: Menschen, die nicht schlafen konnten oder in irgendwelchen Nachtschichten arbeiten mussten. Die Stadt schläft nie! Und vorbei an diesen rannte ich die verlassenen Straßen entlang, immer meinem Sinne nach. Mal bog ich nach links, dann ging es wieder geradeaus. Hier und da stoppte ich, atmete einmal die frische Nachtluft ein und folgte danach wieder meinem Weg. Irgendwann blieb ich stehen, außer Puste von meinem Lauf, und versuchte erneut Atem zu schöpfen.

Plötzlich ließen mich merkwürdige Geräusche zusammenzucken. Doch es waren nur die Geräusche der Nacht: Eine Katze, die dort die Hecke hochhüpfte und ein Auto, dessen Motor kurz aufheulte. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, das mir etwas fehlte. Ich wusste auch, was es war: Er war es. Er, den ich vorhin im Zimmer zurückgelassen hatte und mein Herz bekam einen Stich. Aber ich setzte meinen Weg fort, weiter über das feuchte Gras dieses Trampelpfades. Ich spürte die umgeknickten Halme unter meinen Füßen. Weiter dem salzigen Geruch nach Fischen und Krabben hinterher. Weiter über die kleinen Sanddünen. Die letzten Schritte flog ich fast. Ich ließ meine zierlichen Sandalen im Sand stehen und watete ins Meer. Das Wasser umspielte meine Zehen und floss in die Kuhlen, die meine Fußspuren zurückließen. Die unerwartete Kälte jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Doch genau das war es, das mich am Leben hielt. Dieses Prickeln und die klare, kühle Nacht. Ich hielt inne – und bemerkte das Schlagen der entfernten Turmuhr: 1 …2 …3 … Laut zählte ich mit, aber in dieser Bewegung merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich bekam es mit der Angst zu tun und hörte die Schläge meines Herzens, viel lauter und dröhnender als zuvor die Turmuhr. Hellwach bewältigte ich den Weg zurück zum Haus. Ich weiß auch nicht, wie ich den richtigen gefunden hatte, aber meine Schritte trugen mich wie von selbst. „Hoffentlich ist es nicht zu spät“, dröhnte die Stimme in meinem Kopf. Meine Wahrnehmung schien sich verstärkt zu haben und ich hörte all die verdammten Geräusche der Nacht. Panisch drückte ich die Türklinke. Meine Augen suchten sein Bett und mein Verdacht wurde bestätigt. Er war weg, statt seiner glotzte mich die Fratze eines einäugigen Teddybären an. Ich wandte meinen Blick zur anderen Seite des Zimmers: Meine Augen weiteten sich, in ihnen spiegelte sich das pure Entsetzen wider, und ich konnte den Schrei gerade noch unterdrücken. Weinend brach ich auf meiner Seite des Zimmers zusammen …

© Anna Fock 2023-05-04

Genres
Spannung & Horror
Stimmung
Dunkel, Emotional, Angespannt
Hashtags