Die Augen-OP

Hermann Karosser

von Hermann Karosser

Story

Ich bin ein Mann, wehleidig, leicht „hypochondrisch“ und neige wie alle MĂ€nner dazu, medizinische Fakten zu dramatisieren. Ganz klar, dass mir deshalb nach dem Besuch beim Augenarzt zumute war, als hĂ€tte man mir nur noch drei Monate zu leben gegeben. „Du hast Grauen Star und solltest ihn demnĂ€chst operieren lassen“, hatte Frau Dr. Fuchshuber* mir kundgetan, ohne mit der Wimper zu zucken, geradezu emotionslos, als ob das keine Hiobsbotschaft wĂ€re.

Die TĂŒr der Praxis war kaum hinter mir zugefallen, da sah ich das Bild meiner alten Mutter vor mir: ein Gesicht ohne Augen, BrillenglĂ€ser dick wie Lupen. Auch sie hatte Grauen Star, erst an einem Auge, dann am anderen. „Das war vor 50 Jahren!“, die Reaktion meiner Frau, „glaubst du denn, da hat sich nichts geĂ€ndert seither in der Operationstechnik und in der Medizin ganz allgemein?“ „Ja schon aber 
.“

„Das schlimmste war die örtliche BetĂ€ubung“, hatte sie immer erzĂ€hlt, „8 Spritzen im Gesicht rund um das Auge, schmerzhaft ohne Ende!“ Sie haben ihr dann gesagt, der Star wĂ€re nicht reif gewesen, die getrĂŒbte Linse wĂ€re zerrissen und Fragmente davon im Auge geblieben. ­ KĂŒnstliche Linsen einzusetzen war damals noch nicht Standard, schon gar nicht nach dieser misslungenen Operation, da blieb als Lösung nur die dicke Brille, so schwer, dass sie ihr immer nach unten rutschte. ­ NĂ€chste Diagnose: Hoher Augendruck, GrĂŒner Star, Glaukom, postoperativ, wahrscheinlich wegen der Linsenreste. „Eigentlich inoperabel, aber der ‚Augenpapst‘ in MĂŒnchen hat eine Methode entwickelt, den sog. Kammerschnitt, mit dem der TrĂ€nenkanal geöffnet wird, das sollten Sie machen lassen“. Es folgte eine OP nach der anderen, immer mit der schmerzhaften BetĂ€ubung, langen Klinikaufenthalten und am Ende doch kein Erfolg. Die letzten Jahre ihres Lebens war sie fast erblindet.

Ich sitze „im Limbus“, einem Vorraum zum Operationssaal. Wie den zwei anderen Patienten auch, trĂ€ufelt mir eine gut gelaunte medizinische Fachkraft mit aufmunternden Worten Tropfen ins Auge. „In zwanzig Minuten haben Sie’s ĂŒberstanden und sehen wieder wie ein Junger!“ Ich habe um ein Beruhigungsmittel gebeten, hab’s auch bekommen. ­ Drinnen dann mehrere Operationstische, Katarakt-OPs am Fließband, reine Routine. Sie decken mir das ganze Gesicht ab, bis auf das linke Auge. Frau Dr. Samira* stellt sich mir vor, spricht beruhigende Worte und legt sofort Hand an. Keine schmerzhaften Spritzen, ich spĂŒre fast nichts, hin und wieder ein Schatten und die GerĂ€usche des Operationssaals. ­ „So, wir sind fertig. Jetzt lassen Sie sich bitte von ihrer Frau nach Hause fahren, tropfen wie im Therapieplan aufgeschrieben, reiben nicht am Auge und schĂŒtzen es in der Nacht mit einer Augenklappe. NĂ€chste Woche bei der Nachuntersuchung durch Frau Dr. Fuchshuber* ist dann sicher wieder alles Ok“, sprach’s und entließ mich sehenden Auges.

„Adlerauge“ hat mich die Frau Doktor spĂ€ter genannt, ein Hoch dem medizinischen Fortschritt!

*Namen geÀndert

© Hermann Karosser 2020-11-13

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