von JanGroenhain
Wir essen bis zu 15 Kilo Bananen pro Jahr. Im Durchschnitt, pro Kopf und Nase. Nicht wenig, wenn man bedenkt, dass 1 Kilo aus etwa 5 Bananen besteht. Vermutlich liege ich hier unter dem Schnitt. Vielleicht auch deswegen, weil die Bananen bei uns nicht so gut schmecken wie sie es eigentlich könnten. Das wird jeder bestätigen der einmal reife Bananen direkt von der Staude gegessen hat.
Ein Kilo bekommt man im Supermarkt mitunter schon um 1 Euro, maximal um zwei. Viel zu billig, wenn man bedenkt, dass die Pflücker nur etwa 6% vom Erlös erhalten und unter widrigsten Bedingungen arbeiten.
In den letzten 50 Jahren hat sich die Weltproduktionen von Bananen vervierfacht. Mehr als hundert Millionen Tonnen im Jahr sollen es heute sein. Zu viele Bananen, vielleicht.
Vor fünfzig Jahren war das noch anders. Da waren Bananen bei uns noch eine Rarität, insbesondere am Land.
Einmal hatte meine Mutter Bananen vom Einkauf nach Hause gebracht. Chiquita. Und einen Teilnahmeschein für ein Gewinnspiel. Man sollte 10 Bananenkleber sammeln und aufkleben. Dann könnte man ein Fahrrad gewinnen. Verlockend für einen Achtjährigen, und Mama versprach, mir dabei zu helfen.
Aber das war nicht so einfach. Im kleinen Dorfgeschäft gab es nicht immer Bananen, und wenn dann nicht immer die Richtigen, eben nämlich Chiquita. Manchmal vergaß Mama auch, trotz meiner Erinnerung. Dafür steuerten meine Tanten aus der Stadt den einen oder anderen Kleber bei.
Jedenfalls hatte ich zum Einsendeschluss nicht genügend Kleber gesammelt. Ich war sehr enttäuscht, und Mama konnte mich kaum trösten. Der Traum vom Fahrrad war vorerst ausgeträumt. „Es gibt viel zu wenig Bananen“ war meine frustrierte Erkenntnis.
Nach einigen Tagen des Grübelns hatte ich eine Strategie entwickelt. Ich war mir sicher: Es wird wieder ein Preisausschreiben kommen! Und da wird es mich nicht mehr erwischen! Ich werde fortan Kleber auf Vorrat sammeln. Wenn es dann so weit ist kann ich sofort die Karte vollkleben und werde der Erste sein der einsendet! Und wer sagt, dass nur Chiquita ein solches Gewinnspiel veranstalten kann? Das könnte ja jede andere Marke auch machen, da gab es auch Del Monte oder Fyffes zum Beispiel. Also musste ich alle Marken sammeln.
Gesagt, getan. In ein kleines Kalenderbüchlein klebte ich fortan alle Aufkleber, die ich bekommen konnte. Bald gab es mehrere Abteilungen für die verschiedenen Sorten. Als ich 20 Chiquitas gesammelt hatte war ich stolz.
In der Folge wurden auch Schulfreunde zu Markenlieferanten. Irgendwann konnte ich dann selber Bananen kaufen und dabei im Geschäft Kleber „absammeln“.
Bis ins späte Teenageralter blieb mir diese Sammelleidenschaft erhalten. Obwohl kein Gewinnspiel mehr gekommen ist. Jedenfalls hatte sich die Sammlung auf mehr als 1500 Kleber erhöht als ich das Büchlein schloss.
Kürzlich ist mir das Album beim Entrümpeln wieder in die Hände gefallen. Ich habe es nicht weggeworfen. Ohne Strategie. Ist ja ein Teil meiner Kindheitserinnerungen.
© JanGroenhain 2020-06-14