Die Baronin und die Volkszählung

Wolfgang H. Wieshofer

von Wolfgang H. Wieshofer

Story

1991 wurde in Österreich wieder einmal das Volk gezählt. Grundsätzlich ist das nicht kompliziert aber man hat nicht mit widerspenstigen Bürgern gerechnet. Nicht alle wollten die Fragebögen ausfüllen. Das „Volk“ brachte alle erdenklichen Einwände vor. Mit einer Gruppe von Aufständischen hatte man aber gar nicht gerechnet, mit dem heimischen Adel.

Arthur wollte einen Kollegen aus alten Wiener Zeiten besuchen, einem Baron aus früherem österreichischen Adel. Dieser Kollege lebte nun in der Steiermark, in einem Nebenhaus eines mondänen Schosses.

Und so machte er sich nach einer kurzen telefonischen Ankündigung auf den Weg um seinen adeligen Exkollegen zu besuchen. Auf einen gemütlichen Nachmittagskaffee. Er läutete am riesigen Einfahrtstor und sogleich meldete sich eine etwas arrogante Frauenstimme in der Gegensprechanlage auch gleich mit der Frage „Jaaaaaa, was wollen sie?“ Es war die Baronin, die Frau von seinem Kollegen. Arthur nannte seinen Namen und ich hörte die Dame noch in den Raum rufen:“Der Arthuro ist da“…..

Nach herzlicher BegrĂĽĂźung tischte die Frau Baronin nun Kaffee und Arthurs mitgebrachte Mehlspeisen auf. Es wurde ein gemĂĽtlicher Plausch ĂĽber alte Zeiten, der Baron rauchte genuĂźvoll eine Zigarre und schwelgte vor sich hin wo es plötzlich an der TĂĽr klingelte. Die Baronin öffnete und draussen stand ein junger Mann mit einem etwas zu groĂźem, dunklen Anzug. Unterm Arm hielt er eine abgewetzte Aktentasche und ĂĽber seine Brille blickend teilte er der Baronin mit, dass er von der Gemeinde käme wegen der Volkszählung, Frau Baronin habe die Papiere zur Volkszählung noch nicht zurĂĽckgesendet und er wolle gerne UnterstĂĽtzung anbieten. Die Baronin „von und zu“ verstand als erstes sein Vorhaben nicht, doch sogleich meinte sie:“Junger Mann, eine alte Frau ist kein Schnellzug“ und knallte ihm einfach die TĂĽr vor der Nase zu. Sie begab sich wieder zur gemĂĽtlichen Unterhaltung, ohne jeglichem Kommentar. Ihr Mann, der Baron war von der ganzen Szene in keiner Weise berĂĽhrt und zog genĂĽĂźlich an seiner Cohiba. Er murmelte nur ein paar leise, unverständliche Worte in seinen Bart wo Arthur so etwas vernahm wie „Beamte und Arme Seelen…“.

Arthur ging das Ganze nichts an aber mit der Gemütlichkeit war es nun vorbei, er konnte sich nicht mehr konzentrieren auf das Gespräch, zumal alle Beteiligten sowieso den Faden verloren hatten.

Der arme Kerl an der TĂĽr war wahrscheinlich geschockt, wo er doch Beamter war. So springt man mit einem Mitarbeiter des Staates schliesslich nicht um.

Aber. Er gab nicht auf und betätigte nochmal die Klingel. Die Baronin ging nun genervt ein zweites mal zur TĂĽr, riss diese auf, sah den jungen Mann arrogant -wie sich das fĂĽr den Adel gehörte – an und sagte in forschem Ton: „Junger Mann, wissen sie was, zählen sie mal das Volk und wenn sie die Adeligen zählen, dann kommen sie wieder “ und knallte die TĂĽr abermals zu.

© Wolfgang H. Wieshofer 2020-04-14