Die Baukontrolle

„Sie habn a Haus baut, sie habn a Haus baut, sie ham uns a Haus herbaut. – Gestern Nachmittag hab ich beim Fenster aussegsehn, heute in der Früh habn’s mir den Himmel schon verstellt. – Sie habn a Haus baut, sie habn a Haus baut, sie ham uns a Haus herbaut.“

Es ist eines der wunderschön schrulligen Lieder des Multitalents und Universalkünstlers Arik Brauer, die ich so liebe und schon in den 1970er Jahren permanent von meinem AKAI-Tonbandgerät über die Stereoanlage abgespielt habe. – Noch heute singe ich das Lied, wenn ich von unserem Haus und Garten aus auf das nach 37 Jahren immer noch unbebaute Nachbargrundstück im Süden schaue. – Wobei, so ganz stimmt es ja nicht. ‚Sie habn schon a Haus herbaut‘, aber nur auf der Osthälfte des Grundstücks, die gar nicht vor uns liegt. Ja, und das war so … .

Wenn man von besagtem Grundstück nach Osten über die Straße ging, traf man auf der anderen Seite auf mehrere ‚Stangen‘ Reihenhäuser. Das am nächsten gelegene Eckhaus gehörte der Familie Blumenthal*, Vater Rechtsanwalt, Mutter Hauswirtschafterin und drei Kinder. – Für fünf Personen war das Reihenhaus schon ein wenig klein geworden, da beschlossen die Eltern, ‚sich zu vergrößern‘. Es folgte ein Proteststurm der Kinder: „Wir wollen hier aber nicht weg, wir haben unsere Freundinnen und Freunde in der Nachbarschaft!“

Die geniale Lösung der Eltern: „Wir kaufen die Hälfte von dem Baugrundstück auf der anderen Straßenseite und bauen dort, dann müssen wir uns alle an keine neue Umgebung gewöhnen. – Gesagt-getan, irgendwann fuhren die ersten Baufahrzeuge vor, um die Baugrube auszuheben.

Ich stand auf unserem Balkon und verfolgte mit Interesse den Baufortschritt. Gleichzeitig kam mir aber auch die Idee, dies fotografisch zu dokumentieren, hatten wir doch von hier aus quasi den ‚Logenplatz‘, um den Neubau zu beobachten und die Bauabschnitte im Bild festzuhalten.

Als das Haus nach etwa einem dreiviertel Jahr bezugsfertig war, gestalteten wir ein Fotoalbum. Wir klebten die Bilder ein, ergänzten das Ganze durch Bauplankopien und sonstige Dokumente, auf die ich dank meiner Beschäftigung beim Landratsamt Zugriff hatte. Mit der fertigen Neubaudokumentation machten wir uns dann auf den Weg zu Blumenthals*.

„Weil ihr in der Hektik der Bauarbeiten ja sicher nicht selber dazugekommen seid, haben wir für euch ein Album mit dem Titel ‚UNSER NEUES HAUS‘ gemacht, zur Erinnerung an diese Zeit.“ … Es war eine seltsame Reaktion, die uns entgegenkam. Erst Sprachlosigkeit, dann Heiterkeit und Erleichterung und schließlich auch Freude und Dank für das einmalige Geschenk. Warum?

Die Blumenthals* wussten, dass ich Leiter des Bauamts am Landratsamt war und mir damit auch die Baukontrolle unterstand. Als sie mich dann hin und wieder beim Fotografieren beobachtet hatten, waren sie zu dem Schluss gekommen: „Der kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften.“

„Sie habn a Haus baut, sie habn a Haus baut, sie ham uns a Haus herbaut.“

* Name geändert