Die Beziehungsprobe bei IKEA

Clemens und ich sind jetzt seit knapp zwei Monaten ein Paar und ich weiß nicht, ob es normal ist, aber meine rosarote Brille beginnt bereits zu verrutschen. Einerseits ein gutes Zeichen – die Realität schleicht sich ein und in genau dieser soll diese Beziehung ja auch funktionieren. Aber schon nach zwei Monaten? Diese Verunsicherung ließ mich meinen Herzbuben gestern anrufen und um um einen dringenden Besuch bei IKEA bitten.

“Was brauchst du denn?“, fragte er mich, nachdem er zusagte. Hm, ja was brauch ich denn eigentlich? Möbel hab ich genug, aber so Zeugs wie Deko, Pflanzen oder Kerzen kann man immer gebrauchen. “Naja, Kerzen. Ich hab keine Duftkerzen mehr für’s Klo, sonst riecht‘s da ja komisch”, war meine wenig erotische Antwort mit anschließendem ebenso wenig erotischem Gekichere. Wow, Kati. So verzauberst du ihn nach zwei Monaten Beziehung gleich noch mehr. “Wir sollen wegen Kerzen zu IKEA fahren?“, antwortete er mit fraglichem, skeptischem Unterton. Es folgte eine lange Pause, in der ich kurz mein ironisches Wesen hinterfragte. Mensch, ich hätte doch einfach sagen können, dass ich neue Vorhänge brauche. ”Klar, why not?“, war seine Antwort nach unendlichen Sekunden der Pause. „Ich fahr auch immer gleich zu IKEA, wenn mir die Kerzen ausgehen“, sagte er dann so glaubhaft, dass mir der Atem stockte. Ich fing an zu glauben, dass ich diesen Mann liebe.

Also sitzen wir an diesem wolkigen, kühlen Septembertag in Clemis altem KIA und biegen in die Garage des nächsten IKEAs. Jetzt wird sich herausstellen, ob wir füreinander bestimmt sind, höre ich mich denken. Wieso ein IKEA-Besuch mit der neuen Person an deiner Seite so aufschlussreich ist? Man lernt die Person extrem gut kennen: Konflikt- und Finanzmanagement, Entscheidungsfindung, Empathie, die Kinderfrage, Kreativität, usw. Die Liste ist unendlich.

Clemens steigt aus dem Wagen und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich steige aus dem KIA. Ein kurzer Blick zu ihm – er sieht entspannt aus. Kann es sein, dass er nichts von meinen Plänen mitbekommt? Er ist ja auch nicht Edward Cullen und liest meine Gedanken, hoffe ich zumindest. Ansonsten entschuldige ich mich gleich gedanklich bei ihm. Sorry Cli.

„Willst du durch die Ausstellungshalle gehen oder gleich in die Markthalle runter?“, fragt er, als wir reingehen . Ich erstarre, bin beeindruckt von seinem IKEA-Wissen und gleichzeitig beleidigt, weil er denkt, dass ich die Ausstellungshalle spritzen will.

“Erde an Kati?“, Clemi schaut mich an und ich bete nochmals zu jeder Gottheit dieser Welt, dass er keine Gedanken lesen kann. „Äh ja, nein“, stottere ich. ”Natürlich will ich mir die Ausstellungshalle ansehen? Hey? Was für eine Frage?“ Ich mache mich rauf zur Rolltreppe in den ersten Stock. Ich höre Clemens hinter mir kichern und wenige Momente später umfasst er von hinten meine Hand. „Ich finde dich toll. Ich liebe IKEA Einkäufe. Lass uns das öfter machen.“ Meine Augen werden nass. Ich glaube, ich liebe ihn.