Die Botschaft des Schmetterlings

Florian Painsipp

von Florian Painsipp

Story

Die Sonne lacht vom Himmel. Grillen zirpen, Fliegen summen und Heuschrecken schrecken sich im Heu. Ein Ort des Friedens. Wenn man ganz still ist, kann man sogar die Bäume atmen hören.

Ein Schmetterling kommt geflogen. Roland verharrt auf seinem Sessel, um ihn nicht zu verschrecken. Neugierig fliegt der Falter im Kreis um ihn herum und lässt sich dann auf seinem Fuß nieder.

Er beginnt mit seinem Rüssel wild zu zuzeln. Dabei hinterlässt er eine feuchte Spur aus Speichel. Seine orangen Flügel klappen ekstatisch auf und zu, während er sich an Rolands Hautabsonderungen labt. Roland betrachtet ihn in stillem Staunen. Sein grüner Körper schimmert in der Sonne.

Plötzlich flattert er hoch und umkreist Roland, als wolle er ihn auch von allen Seiten betrachten. Dann landet er in dessen offener Handfläche.

Roland lässt seinen sanften Blick über das Tier schweifen, während er seine Hand nach allen Seiten dreht und wendet.

Er würde ihn gerne mitnehmen, als neuen Begleiter. Er bräuchte nur seine Finger zu schließen. Und würde ihn damit kaputt machen. Nur in Freiheit konnte er leben. Wenn Roland versuchte, ihn festzuhalten, würde er sterben.

„Ist das deine Botschaft, kleiner Schmetterling? Wenn wir etwas lieben, dürfen wir nicht versuchen, es festzuhalten, weil es sonst kaputt geht?”

Der Falter fliegt hoch und umkreist Roland wieder und wieder. Und abermals landet er auf seiner Hand, als wollte er sagen: „Ja, du bist nah dran. Denk‘ noch ein bisschen darüber nach.“

Roland denkt an die geliebten Menschen in seinem Leben… an Lydia. Manchmal hat er Angst, sie zu verlieren. In den dunklen Stunden, in denen er mit sich selbst nichts anzufangen weiß. Dann möchte er sie am liebsten festhalten. Und, wie dieser Schmetterling, würde sie daran eingehen.

„Freiheit ist das größte Geschenk, das wir anderen Menschen machen können. Und uns selbst. Die Freiheit, zu fliegen. Und zurückzukommen. Worte und Berührungen, die Flügel verliehen und nicht fesselten.”

Das Tier schwingt sich in die Lüfte, umkreist ihn noch ein paar Mal und flattert davon. Es hat seine Botschaft überbracht.

© Florian Painsipp 2021-08-14

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