Die Boxhandschuhe und der Koalabär

Emma Breuninger

von Emma Breuninger

Story

Spätestens ab 1. Dezember ist ganz Mexiko festlich weihnachtlich geschmückt. Nicht nur in den Straßen die Weihnachtsbeleuchtung, auch in den Schaufenstern wird es ganz weihnachtlich, manchmal recht kitschig mit viel “Santa Claus” und künstlichem Schnee. Auch die Fenster unserer Apotheke wurden jedes Jahr entsprechend ausgerüstet.

Vorweihnachtszeit 1989, mein Sohn 3 ½ Jahr alt, begleitete mich stets zum Bäcker, um frisches Brot und / oder Brötchen oder auch mal süße Stücke zu kaufen. Wir mussten nur einen Block bis zur breiten Hauptstraße gehen, diese überqueren, dann nach links der Hauptstraße entlang. Hier an der Ecke war die Apotheke. Einen Block weiter, an der nächsten Ecke war der Bäckerladen. Im Schaufenster der Apotheke stand ein Santa Claus, der freundlich lächelte.

Jedes Mal, wenn wir vorbeigingen, d.h. auch stets auf dem Rückweg, blieb mein Sohn stehen und sprach zu dieser Figur:

“Santa Claus, por favor, traeme unos guantes de box“ – Santa Claus, bitte bring mir (zu Weihnachten) ein Paar Boxhandschuhe! Er hatte ein paar Mal im Fernsehen einen Boxkampf gesehen und fand es schön, mit seinem Papa zu boxen. Aber so ohne die passenden Handschuhe…? Das machte nicht wirklich Spaß.

Heilig Abend verbrachten wir am Golf von México, in Minatitlan („nur“ 900 km weiter südlich) beim ältesten Bruder meines Mannes und seiner Familie. Und siehe da: Unter dem Weihnachtsbaum lag ein Paket für unseren Sohn mit 2 Paar roter Boxhandschuhe. Oh, wie glücklich war da der Kleine.

Wieder zurück zu Hause gingen wir Brot holen. Und wieder blieb der Kleine vor dem Santa Claus stehen: “Gracias, Santa Claus, por los guantes de box“ – Danke, Santa Claus, für die Boxhandschuhe!

Er war sooo glücklich und konnte nun mit Papa richtig boxen.

Das erinnerte mich an meine eigene Kindheit. Ich war ungefähr 8 Jahre alt und wünschte mir nichts mehr als einen echten Plüsch-Koala-Bär der Firma Steiff, so groß wie ein echter Koala. Eines Tages läutete es an der Tür. Es war der Postbote, der ein Paket brachte. Ich nahm es in Empfang, meine Mutter quittierte den Erhalt des Paketes. Ich stellte den Karton hochkant hin, doch er kippte um und drin brummte etwas ganz laut. Da wusste ich, unter dem Weihnachtsbaum wird mein heiß ersehnter Koala-Bär liegen. Vor Glück und Freude sprang ich in die Höhe.

Ja, und so war es. Ich habe ihn heute noch. Er brummt nicht mehr, seit ich ihn einmal habe reinigen lassen. Er hat mich die 10 Jahre in Mexiko begleitet, war Spielzeug für meinen Sohn und steht heute zusammen mit einem etwa gleich großen Mischa-Bär (dem Maskottchen der Olympischen Spiele in Moskau 1980) auf einer Kiste im Gästezimmer, dem ehemaligen Kinderzimmer.

Der Koala hat damals – Anfang der 60-er Jahre – DM 54,– gekostet. Was er wohl heute wert ist?

© Emma Breuninger 2020-12-27