von GONI
Eine Institution in Wien.
Ein Geschäft mit Auslage nur für Männer.
Modellbau Sperl in der Wiedner Hauptstraße Ecke Klagbaumgasse.
Zwei Idealisten und Modellbauer betrieben Jahrzehnte diesen Laden.
Da war alles zu bekommen, der Plan, das Material, Bausätze und Ratschläge für die Umsetzung. Der Bekanntheitsgrad reichte weit über Wien hinaus.
Oft wurden fertige Modelle ausgestellt. Ich erinnere mich an ein Schiff, die Andrea Doria mit ihren Schornsteinen, sicher einen Meter lang. Dann wieder Flugzeuge. Herrliche Stücke.
Ich konnte von daheim zu Fuß dort hin gelangen. Bastelanleitungen für den Werkunterricht. Ich war faul und zu langsam. Meine Modelle wurden nie fertig.
Nur einmal, da wollte ich einen Drachen bauen. Im Überschwemmungsgenbiet der Donau ihn steigen lassen. Da ging ich zum Sperl, um mir einen Plan zu kaufen. Ich erklärte ihm, was ich will und er hatte den Plan für mich. Nein, das Holz war zu teuer, außerdem hatte ich andere Maße im Kopf. 2 Meter Spannweite wollte ich, Stoffbespannung und klappbar zum Transport in der Straßenbahn. Das hatte ich mir vorgenommen.
Es sollte aus meiner Kindheit das erste und einzige Projekt werden, das fertig wurde und auch zum Fliegen taugte. Aber bis dahin war noch ein langer Weg. Denn ein fertig gekaufter Drachen aus Plastik, wie sie überall mit verschiedenen Aufdrucken zu sehen waren, nein, das wollte ich nicht.
Also Holzleisten aus der Holzhandlung, dunkelgrüne Futterseide aus dem Stoffgeschäft und dünne Blechstreifen für das Gelenk und eine Schnur zum Spannen der Schwanzspitzen. Die Flügelenden mit rotem Stoff. Einige Tage später war mein Drachen fertig. Einen Schwanz zum Ausgleichen und Stabilisieren der Flugeigenschaften bekam er auch. Er wurde viel zu lang, war zu schwer und wurde gekürzt, sonst hätte sich der Adler nicht von Boden gelöst. Wenn du keine Ahnung hast von der Winkelstellung der Halteschnur, der Reißfestigkeit deiner Schnur, den Auftriebskräften deines 2 Meter Vogels, dann ist es schwer, so eine Sache ganz allein durchzuziehen. Mir fehlte der Vater, denn überall wurden die Drachen von 2 Personen bedient, zumindest beim Start ist das hilfreich. Ich brachte ihn alleine hoch, manchmal half ein fremder Vater beim Starten, je nach Windstärke. Dann riss mir die Schnur, und nun bewahrheitete sich der gute Rat von Herrn Sperl, der fliegt nicht weg, sondern er kommt kreisend zurück zum Boden. Eine gute Drachenschnur zu finden war nicht einfach, denn sie durfe nicht schwer sein, nicht geknüpft und sollte robust sein. Der Zug war oft heftig, aber abgehoben habe ich nicht. Aber Post hinaufschicken mit Papierschnitzel, das war lustig. Einmal flog mein Adler sehr hoch, war kaum zu sehen, die Schnur zu Ende, der Wind ließ nach und mein Vogel kreiste zu Boden. Am Landeplatz angekommen, fand ich die Lösung. Die Stoffbespannung war nass geworden.
Mit 16 Jahren löste das Radfahren die Zeit des Drachensteigens ab.
Foto Agfa Box Format 6X9 cm schwarz weiß 3 Blenden wählbar
© GONI 2020-05-13