Die Bubenbande

WANABE

von WANABE

Story

Mein Alltag mit den zwei kleinen Rabauken Christian und Gottfried machte mir Spaß. Schon immer wollte ich viele Kinder, aber nach der schweren Geburt von Christian war an eine weitere nicht zu denken. Mit unserem Pflegesohn Gottfried kehrte dann so richtig Leben in unsere Kleinfamilie ein.

Mit einem Schlag hatte ich sozusagen eineinhalbjährige Zwillinge. Freunde besorgten mir einen alten blau weiß gestreiften Doppelbuggy, der aber eigentlich nur dem Einkauf diente. Denn die beiden jungen Männer bevorzugten es zu gehen. Süß waren sie, wenn sie dahin bummelten, auch wenn wir weit mehr als eine Stunde in den Ort brauchten. Aber wir hatten ja keinen Stress. Immer wieder sprachen uns die Leute an. Zwei Blondschöpfe – einer mit großen braunen und einer mit leuchtend blauen Augen. Ich war stolz auf die Beiden – besonders wenn ich die Einkaufstaschen in den zweiten Stock schleppte, während die Beiden unbeirrte Stiege für Stiege mit einer Hand am Gelände hinauf spazierten. Nach dem Mittagsschlaf ging es meist zum nahegelegenen Spielplatz. Während Christian unermüdlich die Rutsche benutzte, lag Gottfried am liebsten unter der Reifenschaukel. Er stieß sie geschickt mit der Hand an und beobachtete, wie sie über ihn hinwegschwang. Natürlich merkte ich, wie das andere Eltern irritierte, aber ich ließ mir nichts anmerken und war persönlich sehr fasziniert von Gottfrieds “Studie“, wie ich es nannte. Wenn die zwei Brüder in der Badewanne waren, saß ich daneben, lachte über die Schaumschlachten und zog unermüdlich kleine Delfine und Boote auf. Es war genau, wie ich es mir immer erträumt hatte. Kinder und viel Zeit für sie.

Meine Mama war nicht so angetan von Gottfried. Aufgrund seiner geistigen Behinderung konnte er gelegentlich wütend werden und ich musste ihn dann beruhigen. Mama machte sich Sorgen, dass diese Ausbrüche Christian schaden könnten. So lieb wie sie auch meine zwei behinderten Cousinen und die Tochter ihrer Freundin behandelte, so schwer fiel es ihr, dies in ihrer eigenen Familie zu akzeptieren. Doch sonst wurde Gottfried von allen geliebt und er zeigte seine Zuneigung auch auf eine wirklich reizende Weise. Am Wochenende fuhren wir oft mit zwei Kindersitzen auf unseren Rädern in der Gegend herum, besuchten das Schwimmbad, im Winter Rodeln und Eislaufen – wir machten alles, um die Kinder glücklich zu sehen. Doch leider hielt mein Glück nicht lange. Der Job meines Mannes brachte zu wenig Geld ein und unsere Ersparnisse aus unserem Leben in der Schweiz schrumpften zusehends. Also entschied ich mich schweren Herzens Bewerbungen zu schreiben und bekam viel zu schnell eine sehr lukrative Zusage. Ich fühlte mich nicht wohl dabei. Gottfried konnte anstrengend sein und ich hatte schon immer viel Geduld und ließ mich nicht leicht aus dem Gleichgewicht bringen. Mein Mann war ein sehr liebevoller Papa, aber fühlte sich oft ohnmächtig und reagierte mit Verärgerung. Aber das war das Leben. Nicht alle Wünsche sind lebbar.

© WANABE 2022-01-10