Die drei Zinnen für Bequeme

Daniela Neuwirth

von Daniela Neuwirth

Story

Die südtiroler Bergwelt hat schon viele bezaubert, manche sind Wanderfreaks und Gipfelstürmer, doch so ein Bergfex war Lilly nie. Ihre Anlaufpunkte in Österreich an den Wochenenden waren die Berge, die mit einer Gondel bequem bezwungen wurden, damit für Höhenluft genug Zeit blieb, sei es rund um die Seen im Salzkammergut und Kärnten, Gebirge rund um Innsbruck und Salzburg oder Kitzbühel und Ischgl – also rauf ja unbedingt, aber nicht in Wanderschuhen und Rucksack.

Was sie nun hier vor Augen hat, wenn sie aus dem Fenster guckt, sind nochmal andere Dimensionen und schon beim Gedanken an solche Gipfelluft wird ihr schwindlig. Von Bolzano aus, gibt es eigentlich nur Bergketten zu sehen. Ihr Gastgeber hat schon eine Idee und es geht etwa eine Stunde bis kurz vor eine besondere Laune der Natur, wo sich zeigt, dass auch starre Felsen Charakter besitzen: direkt vor die Auronzohütte auf 2320 Meter Höhe.

Ein bisschen Zeit braucht man schon, um sich an die Anwesenheit der Drei Zinnen zu gewöhnen, denn sie sind überragend mächtig und schön. „Da willst du nicht hoch, oder?“, spaßt Lilly und schlüpft in die geborgten Wanderschuhe, die ihr die Mutter hingestellt hatte und die Turnschuhe vor die Tür stellte, sodass Lilly sie zuerst gar nicht findet. Sam ist längst dabei, den Weg auszuloten. „Camminiamo tutt´intorno, signora.“

Jack und Sam sind den Menschen vor ihnen gefolgt, bis er den Hund zurückruft, der fröhlich zurückläuft und sichtbar ungeduldig, aber brav neben seinem Herrchen geht. Ihr Sohn hat inzwischen eine Kräftigung seiner asthmatischen Lunge durchführen lassen und mit einer langwierigen Immunisierung begonnen, um seine Tierhaarallergie in den Griff zu bekommen.

“Ich möchte auch gerne einen Goldie – die sind fast wie Menschen“, seufzt sie und freut sich, dass sich Sam endlich mit einem haarigen Gesellen anfreundet – wobei es unmöglich wäre, Jack nicht zu mögen. Sie wandern auf eher flachen Pfaden im Naturpark Drei Zinnen rund um die drei Hauptdarstellern. „Einen Meter mehr und die Cima Grande wäre ein 3000er“, stellt Lilly fest, als sie am Schild die Höhe der eigenwilligen Gebirgsformation abliest.

„Viel Unterschied ist da aber gar nicht zwischen denen. Die westliche Zinne hat 2973 und die Kleine Zinne 2792 Meter Höhe.“ Die unerwünschte Nebenwirkung beim Anblick der Riesen ist jedoch, dass man sich klein und zerbrechlich vorkommt daneben, weil wir aus 36 und 47 Jahre altem Wabbel mit ein paar zerbrechlichen Knochen drinnen und diese aus dolomitisiertem Kalkgestein und schon 200 Millionen Jahre lang bestehen.

Bald erreichen die Vier beim unübersehbaren Stein mit Grohmanns Konterfei, der als Erster die Große Zinne bezwungen hat, was von hier unten aussieht wie ein Ding der Unmöglichkeit, über viel Geröll und Schotter die Dreizinnenhütte, von der aus es tolle Sicht auf die Nordwände gibt. „Ich finde die zum Anschauen sehr schön, aber weiter rauf, will ich nicht”, meint Lilly vor den drei Prinzen inmitten der Dolomiten.

© Daniela Neuwirth 2020-05-12

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