von Luna Winkler
Die letzte Silbe ist gesagt, schwingt noch lange in der kalten Luft nach. Der letzte Song, er ist verklungen, in der KĂĽhle der Nacht. Das letzte Wort ist geschrieben. Der letzte Punkt gesetzt. Das Blatt gefĂĽllt. Ein neues liegt bereit, willig beschrieben zu werden. Bestickt zu werden mit dem Garn, den das Leben strickt.
Die kleine Lampe mit der Licht spendenden, alten Glühbirne in ihrem Inneren, sie erlischt. Der Schreibtisch, er liegt nun da, einem Alligator gleich, gefährlich dunkel. In völlige Schwärze gehüllt, die mit dem nicht unbedingt plötzlichen Erlischen ihren Mantel über alles und jeden in dem Raum gelegt hat. Ihren großen, schweren, pechschwarzen Mantel, den die Dunkelheit trägt, wenn ihr nichts anderes überbleibt, wenn das Licht weicht. Wenn es Nacht wird. Wenn lediglich der Mond durch das beschlagene Fenster scheint.
Trotz dem milchigen Glas schaffen seine Strahlen den Weg hinab auf den hölzernen Boden, wo der Staub die Dielen bedeckt und nur selten Licht hinabreicht. Nur der trübe Glanz des Mondes, jede Nacht aufs Neue, jedesmal wenn er die Sonne in die Knie zwingt, aber meist überlässt sie ihm freiwillig das Feld, zerstört von ihrer Hitze, bereit von seinen bleichen Schein geheilt zu werden.
Der Mond, er ist ein einsamer Gefährte. Trägt stets ein Lächeln auf den schmalen Lippen, überhaupt lässt er die Milde walten, hilft der Welt sich zu erholen, wenn die grausame Sonne sie regelrecht zerfetzt hat, sie Risse in ihren Rücken gejagt hat, klaffende Wunden mit getrocknetem Blut. Er verbindet sie gutmütig, redet dabei meist leise und der weinenden Erde gut zu, wenn es sie schüttelt, voll Gram und Schmerz über die Gewaltbereitschaft und Brutalität der gleißenden Sonne.
Ist ihre Erde ausgedörrt, so stillt er ihren Durst. Ist sie traurig oder gekränkt, so nimmt er sie in den Arm , umfasst ihr Gesicht mit seinen Händen und sagt ihr, wie stark sie sei. Dass sie keine Angst zu haben brauche. Dass alles besser werde. Und wenn nicht besser, so anders. Ganz gewiss würde es anders werden.
Der Mond ist bekennender Optimist. Er hilft jedem auf die Beine, und sind diese noch so zerschunden und zittrig, gibt Mut, wo Furcht lauert. Verspricht Heilung, trotz der Anwesenheit von Schmerz. Und wenn alle versorgt sind, dann lächelt er. Danken wollen sie ihm alle, doch er schüttelt den Kopf, winkt verlegen ab. Eine Selbstverständlichkeit, wie er findet.
Doch des Nachts, wenn es nichts zu tun gibt, so thront er droben am Firmament, umringt von tausenden Sternen und doch allein. Er ist kein König, eher ein gefallener Soldat, so kommt er sich vor, wenn er seine eigenen Wunden kaschiert mit diesem gutmütigen Lächeln aus Sorglosigkeit. Mitleid gibt er, doch er empfängt es ungern.
Der Mond, er ist ein Romantiker. Er schenkt Rosen. Er schreibt Briefe. Manch einer würde sagen, er habe ein Talent, wie er da mit den Worten spiele, sie tanzen lasse, bis spät in die Nacht. Derweil wolllte er nur – ja, was will er schon?
Tatsächlich war da nur die Einsamkeit.
© Luna Winkler 2022-01-06