Die Eindringlinge

Frederik Dressel

von Frederik Dressel

Story

Irgendetwas stimmt nicht. Das merke ich sofort, als ich nach einem langen Tag in meine Wohnung zurückkomme. Die Stühle in der Küche, die mit einem Mal viel zu dicht an der Wand stehen und die Vorhänge einklemmen. Die Packung mit Tintenpatronen, die nicht mehr im rechten Winkel zur Tischecke liegt. Oder mein Nachttisch, der plötzlich gute zwanzig Zentimeter weiter vorne steht, sodass ich das Ladekabel meines Handys nicht mehr in die Steckdose bekomme.

Kleinigkeiten, sicher, die aber umso mehr ins Auge fallen, als ich sonst peinlichst um Ordnung bemüht bin, weil die Alternative dazu ein Chaos ist, das alles zu vereinnahmen, alles zu verschlingen droht. Kleinigkeiten also, aber welche, die mir selbst nicht unterlaufen sein können, und die mir zeigen, dass jemand in meiner Wohnung war.

Leute werden verrückt, das kommt vor. Oder glauben zumindest, es zu werden; bei zwei Freunden habe ich es selbst schon miterlebt. Bei dem Einen war es der Schimmel im Schlafzimmer, um den sich der Vermieter partout nicht hatte kümmern wollen, der ihn hatte halluzinieren lassen, und beim Anderen Kohlenmonoxid, das durch das undichte Abluftrohr einer Heizung in seine Wohnung gelangt war. Den Schimmel kann ich schnell ausschließen, so etwas sieht man ja. Von Heizungen verstehe ich dagegen weniger, was mich aber nicht daran hindert, auf allen Vieren unter Tische und hinter Sessel zu krabbeln und das Ohr an Rohre zu legen, um zu sehen, ob ich nicht vielleicht doch etwas höre. Das tue ich zwar nicht, merke dabei aber immerhin, dass, wer auch immer in meiner Wohnung war, in einigen Zimmern die Heizung angedreht hat. Mitte August. Es wird immer absurder.

Erst als ich schon im Bett liege, kehrt mit einem Mal die Erinnerung daran zurück, dass ich am Morgen davon geweckt worden bin, dass jemand an der Tür geklingelt hatte, und dass ich meinen Vermieter im Treppenhaus mit Personen habe sprechen hören, die sich als Heizungstechniker ausgegeben haben. Mit einem Mal erinnere ich mich auch wieder, dass ich sie sogar gesehen habe. Dass ich an ihnen vorbeigegangen bin, als ich meine Wäsche zum Trockner gebracht habe.

Zwei große Gestalten im Dämmerlicht des Kellerflurs, einer schon halb im Heizungskeller, der andere noch auf dem Gang. Schemen eher, die erst zu Männern wurden, als ich mich an ihnen vorbeidrängte. Ob wir uns grüßten, weiß ich nicht mehr, und falls sie Arbeitskleidung getragen haben, oder sonst irgendetwas, was ihre Funktion hätte belegen können, kann ich mich nicht daran erinnern. Nur, dass es nach Zigarettenrauch gerochen hat.

Und als ich auf dem Rückweg versuchte, einen Blick in den Heizungskeller zu werfen, schien es mir fast so, als verstelle mir der Größere von Beiden mit Absicht und einem frechen Grinsen den Weg. Auch ist mir, als habe er das eine Mal einen Vollbart getragen, das andere Mal aber nicht, aber das macht natürlich genauso wenig Sinn, wie dass es in meinem Schlafzimmer jetzt auch nach Zigarettenrauch riecht.

Dabei bin ich Nichtraucher.

© Frederik Dressel 2021-09-05

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