Die Eltern von Harald Blauzahn

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Es geht ans Abschiednehmen: von unseren lieben Freunden und ihrer Gastfreundschaft. Wir packen unsere vielen, am Strand gesammelten, Steine ein. Manche sind anders, als ich je welche an diversen Stränden gesehen habe. Sie haben entweder ein Loch in ihrer Mitte oder sind wie eine Schale geformt. Ki hat uns vorgemacht, wie man sie dekorativ mit kleinen Hauswurzen besiedeln kann. Später, wieder in Wien, haben Ma und ich es ihr nach gemacht.

Vom Norden Jütlands fuhren wir fast die halbe Strecke bis Hamburg (wo unser Reisezug wartete) bis nach Jelling. Dort ist die Wiege des christlichen Dänemarks und gehört zu den bedeutendsten archäologischen Fundplätzen. Zwischen den größten Grabhügeln des Landes liegt hier eine Steinkirche aus der Zeit um 1100 n. Chr., die über älteren Holzkirchen errichtet wurde. Davor stehen zwei gewaltige Runensteine. Das Ensemble von Kirche, Grabhügeln und Runensteinen wurde 1994 zum Weltkulturerbe erklärt. Der Platz hatte bereits seit der Bronzezeit kultische Bedeutung. Es wurde ein Grabhügel in der Wikingerzeit angelegt. Der heidnische Wikingerführer „Gorm der Alte“ gilt als erster dänischer König. Die wenigen Quellen über Gorm sind mehrere Runensteine, von denen die Jellingsteine die wichtigsten sind. Den älteren setzte Gorm für seine Frau. Mit dem Nordhügel als Zentrum wurde um 940 eine riesige Schiffssetzung angelegt. Diese Schiffssetzungist mit einer Länge von 356 m und einer Breite von rund 80 m die größte je gefundene Schiffssetzung.

Von dem Toten (zwischen 35 und 50 Jahren alt, etwa 175 cm groß und muskulös) wurde angenommen, dass es sich dabei um Gorm handelte, den sein zum Christentum konvertierter Sohn aus dem Grabhügel in die Mitte seiner neuen Kirche umbetten ließ. Für diese Annahme spricht auch die Aufschrift des Jellingsteins, den Harald Blauzahn für seine Eltern Gorm und Thyra ausstellte. Der Sohn Gorms, Harald Blauzahn, wurde erst im Alter von etwa 40 Jahren König und ließ sich im Jahre 960 taufen. Danach gab er wohl jenen gewaltigen Runenstein in Auftrag, der Haraldstein genannt wird. Der Stein zeigt die älteste Christusdarstellung von Dänemark. Die kreuzförmig ausgestreckten Arme verweisen zwar auf die Kreuzigung, doch ist Christus nicht an ein Kreuz geschlagen, sondern von Ranken umgeben, die möglicherweise einen Lebensbaum darstellen sollen.

In Jelling befand sich Haralds Hauptresidenz. Zu seinen Bauten gehörte eine 1440 m lange Palisade, die eine große Burganlage umschloss. Der Südhügel liegt auf der Hauptachse der Schiffssetzung und ist mit 10 m Höhe und 70 m Durchmesser der größte künstlich aufgeschüttete Hügel in der Wikingerzeit. Sehr eindrucksvoll!

Im Regen fuhren wir schließlich bis Hamburg, luden das Auto auf den Zug und ließen uns in den (schon bekannten) Minikabinen bis Wien schaukeln. Erleichtert stellte ich fest, dass mein schwerkranker Mann die anstrengende Reise gut überstanden hatte.

© Ulrike Sammer 2021-11-01

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