Shondale Gregory, geboren am 10. August 1996 in Chicago und erlangte unter dem Spitznamen „Tooka“ traurige Bekanntheit. Nach der Trennung seiner Eltern und der Inhaftierung seines älteren Bruders musste seine Mutter mit ihm und seiner kleinen Schwester in die St. Lawrence Avenue umziehen, eine Gegend, die seit den frühen 2000er Jahren für ihre Gangproblematik berüchtigt war; und teils immer noch ist. Doch aus welchem Grund erlangte Shondale diese Bekanntheit? Dazu müssen wir zum 12. Januar 2011 springen – dem sogenannten „Tooka-Day„:
Der erst 15-jährige Shondale steht an jenem Mittwochabend an einer Bushaltestelle. Vor 8-10 Minuten hatte er noch mit seiner Mutter telefoniert und war nun auf dem Weg nach Hause. Ein Mann im Hoodie nähert sich; er fragt mehrmals nach dem Bus, schaut sich um und läuft nervös auf und ab; plötzlich zieht der Mann eine Pistole und eröffnet das Feuer; Scheiben der Bushaltestelle zersplittern; Passanten fliehen oder suchen Schutz, während mehrere Kugeln Tooka treffen. Der schwer verletzte Teenager liegt einige Meter von der Haltestelle entfernt, als der Täter erneut auf ihn zugeht und weitere Schüsse abgibt; ein Auto hält mit quietschenden Reifen, der Schütze steigt ein; ohne eingeschaltete Scheinwerfer fahren sie davon und lassen Shondale leblos in einer Lache aus Blut und Scherben auf dem Bordstein liegen. Aus Liebe und zur Erinnerung an Shondale benannten seine Freunde das Viertel daraufhin in „Tookaville“ um, und sannen nach Rache.
Am Abend des 11. August 2011 hielt sich Odee Perry, ein 20-jähriger junger Mann und auf den Straßen von Chicago respektiertes Gangmitglied der Black Disciples um 23 Uhr vor seinem Block auf. Eigentlich war er mit dem Fahrrad auf dem Weg nach Hause, als er von Freunden Shondales entdeckt wurde. Als die Gruppe nahe herankam, zog er seinen silbernen Revolver, mit dem er zuvor in den sozialen Medien prahlte. Die anderen waren jedoch schneller: Aus dem drohenden Handgemenge, löste sich kurz darauf ein Schuss, der Odee in den Hals traf; der 20-Jährige brach auf seinem Fahrrad zusammen. Kurz danach trat die Gruppe auf ihn ein; ein weiterer Schuss fiel – Odee Perry verstarb an Ort und Stelle. Wie bei Shondale und „Tookaville“, wurde Odee Perrys Viertel zu seinen Ehren in den berühmten Namen „O-Block“ umbenannt.
Obwohl Shondale mutmaßlich kein aktives Mitglied des Sets „STL“ der Gangster Disciples (GD) war, hatte er sich mit vielen Mitgliedern angefreundet und fühlte sich ihnen gegenüber stets verpflichtet. Diese Jugendlichen wachsen in einer Umgebung auf, die von Gewalt, Tod, Elend und Perspektivlosigkeit geprägt ist. Sie erleben schon in jungen Jahren, wie Freunde und Familie, im endlosen Kreislauf von Gewalt und Rachemorden erschossen, oder selbst zu Tätern werden. Zu Shondales Freundeskreis gehörten spätere Berühmtheiten der Drill-Rap-Szene wie FBG Duck und Lil Jojo. Drill-Rap ist bekannt für seinen aggressiven Sound und sehr düsteren Texte. Die Musikrichtung entstand in den 2000er Jahren in Chicago und verbreitete sich später nach Großbritannien. Die Morde an Tooka und später an Odee Perry wurden zu essenziellen Ereignissen in den fortwährenden Fehden zwischen verschiedenen Gangs in Chicago, besonders im Kontext der US-Rapszene, in der diese Namen in zahlreichen Songs von zum Beispiel King Von, Lil Durk und Memo600 immer wieder in respektlosester Art Erwähnung finden.
© Jan-Niklas Borgmann 2024-07-16