von anipan
das kennenlernen war in jenen augenblicken überhaupt nicht überwältigend oder sonst wie aufregend, wie man sich das vielleicht erträumen würde. In den liebesromanen wird das immer so hypertoll beschrieben: „er sah sie …“ oder „sie spürte, wie er in den raum kam …“, so ein schmarrn.
meinen allerersten freund lernte ich beim gassigehen mit unserem hund kennen. ich war damals dreizehn und eher neu in der umgebung, hatte also daher keine freunde vom sandkasten her. aber als wir unseren kleinen dackel Maxi bekamen, schaute die welt schon anders aus. mit Maxi gassigehen bedeutete: einen typen kennenlernen. er hiess Bobby, war 15 und eigentlich hatte mich sein freund, der goscherte Ziggy angequatscht. Bobby war eher ein ruhiger typ und er schrieb mir leider keine liebesbriefe. vielleicht deshalb, weil er im selben haus wohnte wie wir. es passiert auch nichts sonderliches, ausser dass er mir nach 4 monaten einmal unter den pulli ging, als wir gemütlich auf der pipeline über den donauauen lagen. ich hatte mich schlafend gestellt, und Ziggy ermunterte Bobby ziemlich eindringlich dazu. für mich war das damals eine ungeheure frechheit und somit reagierte ich äusserst kindisch auf diese begebenheit hin, indem ich die freundschaft beendete.
ich musste wieder gassigehen. mein nächster freund war so ein richtig toller hecht. Rudi versprühte charme wie ein erfahrener casanova, war sechzehn, gross und dunkelhaarig. er wohnte eine stiege weiter und schrieb mir einen ersten liebesbrief, da er im sommer auf dem land ferien machte. diese waren jedoch auch nicht besonders aufregend, abgesehen davon, dass er schrieb, er sei neugierig, ob ich ihm treu bleibe, er sei es schon. und im nächsten satz stand: „ich höre jetzt auf zu schreiben, da mein magen knurrt“. unheimlich romantisch. ein zweiter brief folgte, wo er schon sehnsüchtigere töne verlauten ließ. ich soll ihn zu hause erwarten und er liebt mich so sehr, dass er in der nacht nicht schlafen kann, weil er an mich denkt. das fand ich irrsinnig süß. im dritten brief berichtete er mir wieder von seiner schlaflosigkeit und davon, dass sein freund von meiner freundin fantasiere, aber nicht so viel, wie er. er schrieb soviel, dass er ein zweites blatt benötigte, wobei er zum schluss schrieb, er müsse jetzt aufhören, sonst käme noch ein gewichtszuschlag der post dazu. jahre später hörte ich, dass er eine industriellentochter geheiratet hatte. da hatte er wohl keine schwierigkeiten mehr mit portogebühren.
© anipan 2021-03-13