von Tom Schopper
Noch heute schmerzt es mich, wenn ich mich an den einen Tag kurz vor Ostara erinnere. Schweißtropfen fallen auf die Tastatur, helle Lichtblitze beengen mein Gesichtsfeld und nicht nur meine Hände beginnen zu zittern. Nein, nicht die Angst vorm Osterhasen beutelt mich hin und her, sondern … .
Es ist kurz vor Mitternacht als ich im ärgsten Schneetreiben das Haus verlasse. Kurz überlege ich mir, ob es eigentlich Sinn macht bei diesem Wetter noch rauszugehen, aber ich muss, habe es guten Freunden versprochen, die mich zum Fest der Frühlingssonnenwende in der Stadt eingeladen hatten. Dazu muss ich die Straßenbahn nehmen, die gleich bei mir ums Eck ihre Station hat. Die kleine Gasse, in der ich wohne, ist abschüssig, sodass es mir leicht fällt durch den knöchelhohen Schnee zu stampfen. Kaum habe ich den halben Weg hinter mich gebracht, höre ich schon das Nahen der Bahn. Meine Schritte werden schneller, aus den Augenwinkeln sehe ich das rot/weiße Ding durch den nun fast waagrecht fallenden Schnee nahen. „Das geht sich aus!!“, rufe ich mir motivierend zu und erhöhe mein Tempo zum Quadrat meiner Eile. Tief in meinem Unterbewusstsein höre ich die Stimme der Logik „Unter dem Schnee ist Eis! Nimm die nächst Bahn!“, schreien, aber wer hört schon auf die Logik, wenn es stürmt und schneit?
So kam es, dass ich die folgende Rechtskurve etwas falsch einschätzte. Um meinen Fehler zu korrigieren, legte ich mich noch etwas weiter nach rechts, während meine Beine auf dem Eis nach links rutschten. Da ich ehemaliger Eishockeymeister war, verhinderte ich den Sturz mit eleganten Übersteigen. Eines meiner Augen ruhte auf der sich von links näherten Straßenbahn, das andere auf das im Zentrum der Kurve befindliche Straßenschild, beziehungsweise der Eisenstange, auf der das Schild montiert war. Die wollte ich greifen um mich abenteuerlich um die Ecke zu schwingen. „Das nenn ich eine standesgemäße Tom-Abbiegung!“, rief ich frohlockend und streckte meine rechte Hand bereits nach der Stange aus.
Fest gemauert in der Erden, steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muss der Hydrant werden. Frisch, Gesellen! Seid zur Hand. Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß.
Der Einschlag war heftig, sodass es mir die Schuhe auszog. Einer davon fiel, sich mehrfach überschlagend Richtung Hauptstraße, auf die laut vorbei zischende Straßenbahn. Optimisten würden sagen, dass ich zumindest mein Ziel teilweise erreicht hatte, während sich der Realist hüfthoch um den neuen Hydranten wickelte und spontan in den MultitaskingModus versetzt wurde. Mit heller Stimme „Mama“ rufend, schoss mir der Schweiß aus jeder Pore meines schief gewickelten Körpers, der langsam vom ehernen Hindernis herabglitt, seitlich verdreht im Schnee landete und in der EmbrionalStellung um ein Osterwunder winselte.
Irgendwann wurde ich wieder klar denkend und humpelte nach Hause. Dort rief ich die Freunde an und sagte, dass ich Fieber habe und daheim bleib.
Frohe Ostern und keine blauen Eier!
© Tom Schopper 2019-04-20