von M_S_Haurowitz
Nach ein paar Monaten zurück aus den USA hatten wir uns in unserer Wohnung am Urban Loritz Platz eingerichtet. Es hatte sich ein Alltag eingespielt- mein Job kam ins Laufen, und Nina tastete sich an die für sie neue deutsche Sprache ran. Auch unser Kater Vito hatte den langen Heimweg mitgemacht und sich schon gut eingelebt- doch war er hier wo es keinen Auslauf und keinen Kameraden gab gelangweilt, was sich jedoch ändern sollte. Vito hatte die Gewohnheit, aus der Wohnung zu laufen sobald man die Wohnungstür öffnete. Und von Tag zu Tag viel uns mehr auf, dass er im Stiegenhaus jemanden zu suchen schien- er gab rufende Laute von sich- so als hätte er die Anwesenheit einer Nachbarskatze gespürt. Dass dem wirklich so war, fand meine Frau Nina heraus- sie erblickte im Stiegenhaus unsere Nachbarin, eine bereits betagte Dame, mit einem Kater im Arm- er war im selben Alter wie Vito und hatte ein rötliches, glänzendes Fell. Abends erzählte sie mir von ihrer Entdeckung und meinte, dass die Katze „Zille“ heißt, worauf mein einziger Gedanke war, dass dies ein komischer Name für eine Katze ist.
Vito und Zille trafen sich ab diesem Tag immer öfter im Stiegenhaus, und langsam wurde Zille auch Gast in unserer Wohnung. Waren es zu Beginn noch liebe Treffen mit zarten Annäherungsversuchen, so wurden mit der Zeit fast blutige Kämpfe daraus. Dies gipfelte darin, dass ich eines Tages nach Hause kam und Vito auf der Couch saß, während Zille ihn vom Boden aus anfauchte. Dann versuchten beide, ihr Revier zu markieren, was einiges an Putzaufwand nach sich zog. Am nächsten Tag traf ich die Nachbarsdame im Lift, und sie setzte den Schritt, für den ich zu feige war: sie meinte, Vito sei eine der liebsten Katzen die sie je gesehen hatte: er wäre bei ihr auch schon zu Besuch gewesen und habe schon fleißig bei ihr gefressen – es wäre wohl aber aufgrund des gestrigen Vorfalls eine bessere Idee, wenn sich unsere Katzen nicht mehr sehen. Ich meinte darauf, dass es wohl tatsächlich das Beste für Vito und auch Zille wäre, den Kontakt abzubrechen. „Zille? Nein, das ist nicht der Name, sein Name ist Herzilein.“ Ups, da hatte Nina wohl etwas missverstanden.
Somit war Vito wieder allein- er bettelte zwar jeden Tag darum, rausgehen zu dürfen, jedoch erlaubten wir es ihm nicht mehr. Somit beschäftigte er sich mit dem Fangen von Spinnen und dem Beobachten von Vögeln. Als wir dann im Sommer die Fenster regelmäßig offenließen, legte Vito wieder das gleiche Verhalten an den Tag, mit dem er damals Herzilein „gerufen“ hatte- wir schrieben es anfangs den singenden Vögeln zu. Er schaute nach oben und schien mit jemandem zu kommunizieren- als ich mich aus dem Fenster lehnte um den Grund aufzuspüren, sah ich Herzilein, der sich ebenfalls aus dem Fenster der Nachbarin lehnte. Obwohl es sich um zwei reine Wohnungs-Einzelkatzen handelte, war es uns nicht möglich, ihren Kontakt zu unterbinden. Dieses tägliche „gemeinsame Sonnen“ ging solange weiter, bis wir schließlich in die Seidengasse zogen.
© M_S_Haurowitz 2020-04-19