Die Faszination der Liebe – Teil 1

Bettina Feilhammer

von Bettina Feilhammer

Story

„Eines Tages werde ich losziehen und jeden Ort dieser Welt bereisen. Wer sind wir schon, wir kleinen Menschen in dieser großen Welt? Und doch nehmen wir uns jede Minute unseres Lebens so wichtig, glauben wir sind die Lebewesen, die letzten Endes die Kontrolle in der Hand haben. Aber hallo Welt! Ein bisschen mehr Achtung vor dem Leben! Ein bisschen mehr Bewunderung! Wo ist diese kindliche Bewunderung geblieben? Die Fähigkeit sich über jedes kleine Detail dieser wunderschönen Welt zu freuen? Verdammt mag ich sein in dem Moment, in dem ich aufhöre, diese Schönheit zu fühlen! Was ist dann Leben noch wert?“

Tobias sah mit Faszination zu, wie Samuel da stand, auf einem Podium vor dem gefüllten Saal und das Wort an die Zuschauer richtete. Samuel hatte die Gunst des Moments genutzt und am Ende des Theaterstücks, zu dem sie eine gemeinsame Studienkollegin eingeladen hatte, mit einigen wenigen Schritten die Bühne erklommen. Während die Zuschauer noch unsicher waren, ob es sich bei Samuels Worten um den Epilog handelte oder es nur Worte eines berauschten Theatergastes waren, ließ sich Samuel nicht beirren. Er beendete seine Rede, indem er die Arme nach oben streckte und sich anschließend verbeugte. Grinsend kam er Tobias entgegen, der ihn verblüfft ansah und sich ein Lachen nicht verkneifen konnte, als er seinen Freund so strahlend auf sich zukommen sah. Samuel war einfach verrückt. Und genau diese Verrücktheit faszinierte Tobias am meisten. Es war eine blühende Lebendigkeit, eine schillernde Offenheit. Samuel sprach frei aus, was er sich dachte. Er machte sich keine Gedanken darüber, hatte keine Angst befremdlich zu wirken. Er war schlicht und einfach frei durch seinen Mut, seine Offenheit und sein sehr gesundes Selbstbewusstsein. Tobias konnte es nicht in Worte fassen, aber wäre es ihm gelungen, hätte er es ins Universum hinaus geschrien. So blieb es ein Gefühl in ihm, eine Gewissheit. Etwas, das einfach da war und wogegen er nicht den Hauch einer Chance hatte sich zu wehren. Das wollte er auch gar nicht. Hätte er sich nicht schon vorher in Samuel verliebt, hätte er es in diesem Moment getan, als er ihn nach seiner Rede anblickte, ein außerweltliches Strahlen in seinem Gesicht. Die Augen blitzten und er nahm in ihnen etwas wahr, das ihm das Gefühl gab gemeinsam mit Samuel größer als unzählige Universen zu sein. Es war so atemberaubend schön und faszinierend zugleich.

Samuel erwiderte seinen Blick mit liebevoll lächelnden Augen. Er öffnete seine Arme und Tobias ließ sich in die Umarmung sinken. Geborgenheit. Wärme. Sie küssten sich und sahen sich in die Augen. Und das Universum schien in diesem Moment stillzustehen.

© Bettina Feilhammer 2022-08-19

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