von Heinz Rappitsch
Neben meinem Elternhaus in Weißkirchen befand sich ein Getränkehandel, dessen Chef mich, als ich sechs Jahre alt war, mehrmals zum Fischen mitnahm. Wir marschierten zum Granitzenbach, dessen Rechte dem Wirt Tavolato gehörten, der im Ort ein Gasthaus mit Hotel besaß. Der Chef zeigte mir, was es benötigte, um das Fischen zu erlernen, wie Angelknoten oder Vorfächer binden, das Auswerfen, das richtige Anbringen des Bleis. Hier lernte ich alles.
Bald darauf ging ich mit meinen Freunden aus der Nachbarschaft und der Volksschule zum Bach illegal fischen. Darauf stand eine ziemlich hohe Strafe, nämlich bis zu dreißigtausend Schilling. Da wir nicht wussten, ob unsere Eltern zur Verantwortung gezogen werden würden, wenn man uns erwischte, musste notgedrungen immer einer Schmiere stehen, wenn wir Forellen, Äschen, Neunaugen oder Koppen fingen, nur mit der Angelschnur und einem Blinker ausgestattet. Eine richtige Angel hatten wir nie dabei. Die Spule trugen wir in der Hosentasche und hielten die Schnur in der Hand. So konnten wir sie leicht verstecken, wenn jemand des Weges kam und uns sah. Die Hosentaschen hatten Löcher, durch die wir die Spule fallen lassen konnten, wenn die Situation brenzlig wurde.
Ich war zehn Jahre alt, als wir bereits zu sechst fischen gingen, eine kleine verschworene Bande. Vier mussten in alle Richtungen aufpassen, ob jemand kam, während zwei fischten. Wenn sie etwas gefangen hatten, wurde gewechselt. Sie gingen aufpassen und die anderen fischen. Mit der Zeit kannten wir die besten Plätze am Bach, etwa vor dem Sägewerk oder den beiden Wasserfällen.
Der Wirt Tavolato, der Inhaber der Fischereirechte, war extrem übergewichtig und ein kinderliebender Mensch. Wenn er uns beim Schwarzfischen erwischte, tat er so, als ob er böse wäre. Er war aber ein schlechter Schauspieler. Wir fürchteten uns nur die ersten paar Male, danach nicht mehr. Als Strafe mussten wir ihm Köderfische fangen, mit welchen er später selber fischen ging.
Eines Tages erwischte uns ein hochgewachsener Fremder beim Schwarzfischen. Er bat uns, ihm ein paar gute Plätze zu zeigen, was wir gerne machten. Dort fing er einige schöne Kapitale. Wir warteten, bis er seinen Fang beisammen hatte, danach ging er weiter, zu anderen Stellen, um sein Glück zu versuchen. Vorher gab er jedem von uns sechs einen Hundert-Schilling-Schein, was uns erheblich freute. Wir kauften davon Süßigkeiten und Schundhefte, Donald Duck, Fix und Foxi, Mickey Mouse.
Zu Hause erzählte ich meinen Eltern von dem fremden Fischer. Sie wussten sofort, um wen es sich handelte. “Das ist der Peter Alexander”, sagte meine Mutter, die immer über alles im Dorf informiert war. “Der ist nämlich jedes Jahr Stammgast beim Tavolato.”
Bei uns im kleinen Weißkirchen verbrachte der berühmte Schauspieler, Sänger und Jazz-Pianist, der unter anderem auch in Kanada und Afrika fischen war, in aller Stille einen seiner geruhsamen Anglerurlaube … und wir hatten ihn zufällig getroffen.
© Heinz Rappitsch 2021-07-02