DIE FLÜCHTIGE BEKANNTSCHAFT

Margaretha Husek

von Margaretha Husek

Story

Im Supermarkt sprach mich ein älterer Herr an, ich möge ihm ein schönes Suppengemüse aussuchen. Er sehe nämlich schlecht, entschuldigte er sich.

Er trug keine Brillen. Dafür war er sorgsam gekleidet. Er trug einen dunklen Anzug und eine farbenfrohe Krawatte. Sein Äußeres wirkte sehr gepflegt.

Er erzählte, dass er schon seit Jahren geschieden sei und auf eine ausgewogene Ernährung achte. Dafür koche er auch selbst. Nein, heiraten werde er nicht mehr. Er sei froh, dass er geschieden sei. Jetzt hätte er ein freies Leben und keine Sorgen. Er lache nämlich gerne, dabei leuchteten seine Augen.

Das sah ich ihm trotz Maske an. Seine Ansichten betonte er mit sporadisch hochgezogenen Augenbrauen. Er wirkte lebensfroh und optimistisch auf mich.

Er mache jeden Tag Bewegung und hätte gute Beziehungen zu Freunden und eine positive Lebenseinstellung. Seine Ex-Frau würde hingegen von ihrem jetzigen Mann drangsaliert. Das gönne er ihr. Er lachte vor Schadenfreude hellauf. Er hingegen habe eine jüngere Freundin. Doch zurzeit sei sie arbeitslos und da hätte er Verständnis, dass sie nicht so gut gelaunt war.

Beim Obststand trafen wir uns wieder. Ich machte ihn aufmerksam auf das Sonderangebot im Fleischregal. Er lehnte dankend ab.

„Ich möchte mein Essen nicht aus China, Südamerika, ja nicht einmal aus dem EU-Raum. Ich finde es unmoralisch, Lebensmittel, welche hier ebenso so gut produziert werden oder werden können, tausende Kilometer über Land, Wasser oder Luft zu transportieren. Von Lebendtiertransporten möchte ich gar nicht sprechen. Ich zahle gerne mehr für österreichische Produkte, denn unsere österreichischen Bauern garantieren mir, dass ich mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln versorgt werde und unsere Natur, Wälder, Weiden, Almen erhalten und gepflegt werden. Ich pfeife auf billigst und verzichte lieber auf anderes. Schwarze Schafe gibt es in jedem Berufszweig. Trotzdem möchte zumindest ich nicht von Lebensmittelimporten abhängig sein. Ich will kein polnisches Rindfleisch, das einmal über die Grenze nach Österreich transportiert wird und dann plötzlich ‘aus Österreich’ ist. In meinen Augen ist das Betrug!“

Großteils liegt es wohl am Konsumenten, der nicht bereit ist, für seine Nahrung auch entsprechend Geld auszugeben. Handy, Computer, Autos, riesige Fernseher, Zigaretten, Urlaube und vieles andere mehr sind wichtiger. Früher konnte man sich solche Dinge gar nicht oder kaum leisten. Telefonieren war sehr teuer, ein Fernseher ein Luxus, ein Auto, vielleicht eines pro Familie.

Der Mann war neunzig Jahre alt! Wir vergaßen den Sicherheitsabstand einzuhalten. Er gab mir Mut und Zuversicht für das Alter. Sein Lebenswille und seine positive Einstellung zum Leben waren wichtiger als schlecht zu sehen.

© Margaretha Husek 2021-01-20