Die Frauen

Marcel Becker

von Marcel Becker

Story

(Triggerwarnung) Dort unten erwartet uns nach einer Treppe ein weiterer Raum, diesmal beinahe so groß wie unsere Wohnung. Spätestens jetzt müssten wir wirklich im Theater sein. Ich schaue mich zu meiner Schwester und meiner Freundin um, beide schütteln den Kopf und deuten, zurückzugehen. Doch meine Neugier und das bestechende Gefühl, diesen Raum schonmal gesehen zu haben, lassen mich weitergehen. Es gab kein Licht, also nutzen wir weiter unsere Handytaschenlampen. Leider sind die Räume, die wir hier finden, nicht so einfach einzurichten.

Im Schein unserer Taschenlampen tasten wir uns vorwärts durch die Dunkelheit. Hätten wir gewusst, was wir finden würden, wären wir vermutlich nicht weitergegangen. Nach ein paar Metern finden wir mehrere Räume mit Frauen, die komplett auf Drogen sind, ein paar, die schlafwandeln bzw. drogenwandeln und ein paar, die nahezu tot in gequälten Positionen auf dreckigen Matratzen liegen.
Die Vorhänge sind zu, zwei Türen stehen sich gegenüber und verbinden den Hauptraum wohl mit dem Flur und irgendetwas anderem. Meine Schwester muss einen Aufschrei unterdrücken und meine Freundin hält ihr den Mund zu. Nur zwei von ihnen sind wach und so weit bei Bewusstsein, dass man mit ihnen reden kann. Ich blicke mich langsam im Raum um und erkenne eine alte Bekannte von mir an einer Narbe, die ihren Hals hoch in ihr Gesicht führt. Ich laufe zu ihr hin und knie neben ihr nieder. Sie sieht mich an und lächelt, während sie in Zeichensprache ein einziges Wort formt. „Endlich“. Ich weiß ihren Namen nicht, in dem Moment weiß ich nicht mal meinen eigenen Namen, um ehrlich zu sein. Mein Puls dröhnt mir durch die Ohren. Ich will sie, meine Freundin und meine Schwester hier rausbringen, jedoch schüttelt sie den Kopf und führt nur eine Hand an ihren Mund, als wollte sie was essen.

Wir kommen jede Nacht, für 4 Nächte hintereinander, wieder und geben allen Wasser, Essen und eine Kochsalzlösung, um ihnen zu helfen, gegen die Drogen anzukämpfen. Das vermisste Mädchen vom Volksfest vor ein paar Monaten starb zwei Tage, bevor wir die Räumlichkeiten fanden. Sie war in der Stufe meiner Schwester.
Ich verstehe langsam, wieso die Typen die Wohnung kaufen wollten. Einfach, um ihr Business zu vergrößern. Die Wand hinter dem Hauptraum ist dieselbe wie die in unserer Wohnung im anderen Gebäude. Das Wohnzimmer. Es muss etwas getan werden, aber ich kann doch keine weiteren Menschen in Gefahr bringen. Vor allem nicht meine Familie.


© Marcel Becker 2024-12-18

Genres
Spannung & Horror
Stimmung
Dunkel, Reflektierend