von Girasole
1974 planten wir mit dem Auto in Richtung Schweden zu fahren und meine Oma meinte, wenn wir in Hamburg sind, könnten wir doch ihre Freundin Sophie besuchen. Gesagt, getan, ich nahm Kontakt auf (damals noch per Brief!) und wir durften bei Sophie und ihrem Mann Eggi übernachten. Kaum waren wir in der Tiroler Straße vor dem Haus vorgefahren, als im dritten Stock ein Fenster aufging und eine Frau kreischte: „Eggi, sie sind da!“ Wir wurden sehnsüchtig erwartet und nahmen sogleich auf der Couch Platz. Michael setzte sich auf etwas Hartes….es war Eggis Gebiss – soweit der Einstieg! Wir bekamen Orangensaft mit Korn serviert und immer wenn wir einen Schluck getrunken hatten, schenkte uns Eggi mit Korn nach, bis dann statt Orangensaft nur mehr Korn im Glas war. Ein beschwingter Anfang! Sophie hatte kalten Hering vorbereitet und jedes Mal, wenn sie an den Blumentöpfen vorbei ging, sagte sie: „Jakele, komm steh auf!“ Jakele war der Kanarienvogel, den sie im Blumentopf begraben hatten….wo waren wir da nur gelandet? Aus Höflichkeit servierte Sophie zuerst uns, Eggi hingegen, der gewohnt war, als erster bedient zu werden, wollte auch jetzt nicht hintan stehen. So wurde sein Teller hin und hergeschoben…. „Nee, zuerst die Gäste! – „Nee zuerst ich!“….solange bis der Hering aufs Tischtuch klatschte.
Am nächsten Tag war Blankenese angesagt. Bevor wir aber die Wohnung verließen, wurden alle Fenster versperrt und durch die Schlüssel der Türen ein Sicherungshaken gesteckt…wie gesagt, die Wohnung war im 3. Stock! Sophie fand auch, dass man sich einduften sollte, bevor man ausgeht, also besprühte sie uns von Kopf bis Fuß mit einem „Altweiberparfum“. In der U-Bahn rümpften die Leute die Nasen ob des aufdringlichen Geruchs. In Blankenese besuchten wir einen Biergarten und Eggi rief sofort lauthals nach der Bedienung, kaum dass wir saßen. Und dann erklärte er uns: „Kaufen Sie sich ja keene Schaumjummi-Matratzen fürs Bett, da kommen sie nich hoch mitm Aaaarsch“ so dröhnte er, dass alle anderen Gäste auch was davon hatten.
In St. Pauli gingen wir Kaffee und Kuchen essen. Es war ein einschlägiges Lokal, das wir seltsames Vierer Gespann betraten. Als Eggi ein menschliches Bedürfnis verspürte, kam er nach vollbrachter Tat mit der Hose über den altertümlichen Unterhosen bis fast zu den Knien heruntergelassen, heraus. Sophie sollte ihm die Hosenträger durch die Schlingerln in der Unterhose fädeln, damit er sie nicht verliert. Wir verkrochen uns fast unter den Tisch. Nachdem diese Geschichte erledigt war und Eggi nach der Rechnung rief, beschwerte er sich auch noch lauthals über den Preis. Der Ober sah schon vorher etwas furchterregend aus, jetzt umso mehr. Michael zahlte schnell, damit die Situation nicht eskalierte. Gut, dass wir nicht länger bei den beiden übernachtet haben, es war einfach zu aufregend!
Als wir wieder daheim waren, erzählte ich meiner Oma all die Anekdoten, die wir in Hamburg mit den beiden erlebt hatten. Oma lächelte und sagte: „Sophie ist also immer noch so verrückt wie früher!“
© Girasole 2024-06-29