Die Fünfzehnjährige II

Laura Kadur

von Laura Kadur

Story

Und dann stand sie wieder da. Gleiche Kleidung, gleicher Haarschnitt, kampfbereite Pose. Krass, wo kam die denn her? Das Mädchen war sprachlos und verharrte erst mal weiterhin in seiner Position. Dann sprach die fremde Frau: „Was soll denn der Blödsinn hier? Sehen und fühlen sie denn nicht, wie es ihr geht? Behandeln sie hier alle Kinder so unbeholfen? Sie sind scheiße!“ Ja, zeig`s ihnen, dachte das Mädchen und ließ das Tischbein los. „Sie hat Angst vor Erwachsenen und sie halten hier eine Inquisition ab! Das ist doch total absurd!“ Ja genau! Das Mädchen richtete sich etwas auf. Ihre Beine wippten nicht mehr. Die fremde Frau wurde lauter: „Wissen sie nicht, wie man ein Kind beruhigt? Sie braucht einen Psychologen. Sie sind so unfähig! So gefühllos!“ Sie schlug mit der Faust auf den Tisch. Dem Mädchen gefiel das. Es richtete sich ganz auf und lehnte sich zurück. „Machen sie ihren Job gefälligst richtig, sonst können sie ja auch die Straße fegen, so gefühllos wie sie sind! Sie sind extrem nutzlose Roboter des Staates! Sie sind scheiße! Für was ist das Mädchen hergekommen? Sie sucht Halt am Tisch, weil das alles ist, was sie hat! Ein Kind ist immer unschuldig! Dass sie nicht nach Hause will, muss doch reichen! Da hilft nicht nur eine Nacht im Heim. Sie müssen doch mehr tun können. Was ist das hier für ein scheiß Verein??“ Die Frau vom Jugendamt starrte entsetzt. So hatte sie noch keiner wach gerüttelt. Zufrieden drehte sich die fremde Frau zu dem Mädchen: „Hey, du bist nicht schuld an dieser Situation. Deine Eltern sind schuld. Sie behandeln dich so schrecklich, treiben dich in die Enge, in den Wahnsinn. Deswegen suchst du Auswege und Möglichkeiten, die nicht immer richtig sind. Aber glaub mir, du bist nicht schuld!! Auf gar keinen Fall! Du hast keine andere Wahl. Du kannst weder ausziehen noch sonst irgendwas tun.“ Das Mädchen nickte zustimmend. Ihre Augen waren traurig, aber darin lag auch Zuversicht. Gut, dass die fremde Frau wieder aufgetaucht war. Das Mädchen versuchte sich zu entspannen und die Frau bestärkte sie: „Du bist wunderbar so wie du bist! Du kannst und weißt sehr viel. Du bist wirklich ein toller Mensch. Glaub mir!“ Das Mädchen fing an zu weinen, lächelte dabei aber ganz leicht. „Du schaffst das alles! Es wird alles besser. Glaub mir! Du bist nicht mehr alleine. Ich bin für dich da! Ich kümmere mich um uns!“ Das Mädchen war sehr erleichtert. Die fremde Frau beugte sich vor und umarmte sie. „Es wird alles gut!“ Sie schauten sich beide direkt in die Augen. So vertraut und doch so fremd. Wer war diese Frau? Das Mädchen fühlte sich so sicher und geborgen, so dass sie nicht zögerte, als die Frau flüsterte: „Komm, wir gehen! Lass uns erst mal was essen, dann beruhigst du dich.“ Sehr zufrieden lief das Mädchen mit der fremden Frau zur nächsten Pizzeria. Sie fühlte sich durcheinander und ausgelaugt, aber gleichzeitig war sie so hoffnungsvoll. Die Frau hatte nochmal versprochen, sich gut um sie beide zu kümmern.

© Laura Kadur 2023-01-22

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