Die Geister, die ich rief

Zeitreisende

von Zeitreisende

Story
2022

Wie es mit Vorsätzen oft ist, halten diese nicht lange und doch sind sie wie Geister, die man nicht mehr los wird. Mein Schreibbüchlein lag still und vorwurfsvoll im Wohnzimmer, wanderte auf das Nachtkästchen in den Rucksack und wieder zurück. Musik spielte und verklang wirkungslos.

Einzuholen begannen mich meine Geister mit einem Kugelschreiber. Ein Geschenk von Shakira, DaVinci, Casimir und Anton zum Schreiben meiner Geschichten. Geschichten, für die sich mein Kopf zu leer anfühlte. Geschichten, die mich seit Monaten verlassen zu haben schienen. Geschichten, die ich nicht einmal lesen wollte. Und plötzlich war da dieser Kugelschreiber, der leise zu summen begann: „Benutz mich!“ Tag für Tag murmelte er vor sich hin. So wanderte er gemeinsam mit dem Schreibbüchlein in den Rucksack. Auf der Zugfahrt oder im Hotel in Wien würde sich schon eine Gelegenheit bieten.

Gelegenheiten boten sich, gingen vorüber und wurden nicht genutzt. Nun summte der Kugelschreiber nicht nur mehr, er begann zu murmeln. Jede Stunde ein wenig lauter. Ganz so, als wäre er mit mir in der Stadthalle gewesen und hätte mit mir die Energie der Musik und des Konzertes aufgesogen.

Benutz mich!

There’se a darkness at the heart of my love, that runs cold, runs deep.

Ghost.

Die Geister, die riefen.

Musik und Stift.

Summen und murmeln.

Lauter und lauter.

Da lagen sie nun wieder zuhause. Schreibbüchlein und Kugelschreiber. Die Eindrücke des Konzertes immer noch frisch, drehe ich die Musik auf.

Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los.

Der Stift seufzt zufrieden, als er endlich das Papier des Büchleins berührt.

© Zeitreisende 2022-05-13

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