Die Geschichte, die sie nicht hören wollten

Tristan Blau

von Tristan Blau

Story
Eigentlich überall…

Es hat schon einen Grund, warum unsere Wochentage nach den Gestirnen benannt sind. An diesem Sonntag saß ich nach getaner Arbeit auf meinem Balkon und ließ meine Gedanken schweifen. Ganz unvermittelt drang eine Gruppe Jugendlicher in den Garten des Plattenbaus ein, in dem ich meine Wohnung habe. Sie machten es sich gemütlich mit Getränken, Kuscheldecken und Spielkarten. Ich erinnerte mich an meine Jugend und plötzlich drang sich mir ein unangenehmes Bauchgefühl auf. Als ich bemerkte, wie eine von ihnen eine Tablette zu sich nahm, stürmte ich herunter, trat an sie heran und sagte:

„Hey Leute, habt keine Angst. Ich will euch weder vertreiben noch in die Pfanne hauen. Ich will euch lediglich eine Geschichte erzählen, wenn ihr bereits seit zuzuhören.“ Ein junger Mann aus der Gruppe sah mich irritiert an und sagte freundlich aber bestimmt: „Nein danke, wir haben unsere eigene Agenda.“ Ich akzeptierte das bereitwillig, wünschte ihnen noch einen guten Tag und zog von dannen. Obwohl sie mein Angebot ausschlugen, ließ mich die Geschichte nicht los, sodass ich sie nun euch erzähle und hoffe, vielleicht dem ein oder anderen Klarheit und Bewusstsein schenken zu können:

Als ich in eurem Alter war, haben ich und meine Clique der jugendlichen Neugier folgend mit allen möglichen Drogen experimentiert. Alle anderen sind glimpflich davongekommen – nur mich hat die Kugel getroffen… Ich habe 8 Jahre mit einer Psychose zu kämpfen gehabt, die mich in die schlimmsten Angstzustände versetzt hat, die man sich vorstellen kann. Das sage ich nicht, um euch Angst zu machen. Ich möchte nur Bewusstsein dafür schaffen, dass Drogen in eurem Alter – während das Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet – durchaus ein Spiel mit dem Feuer sein können. Es ist wie russisches Roulette: Einen trifft es am Ende sicher! Ich kann aber verstehen, dass ihr euch ausprobieren wollt. Wenn ihr auf Nummer sicher gehen wollt, wartet, bis sich euer Gehirn zu Ende entwickelt hat. Dann könnte ihr von mir aus machen, was ihr wollt. Aber bis dahin bin ich es meinem jugendlichen Ich schuldig, euch den Rat zu geben, der mir vorenthalten wurde. Habt noch einen schönen Tag oder Trip oder was auch immer!

Ich hoffe, dass diese jungen Menschen einen schönen, sonnigen Nachmittag verbringen werden. Und vielleicht sind das ganz brave Gesellen gewesen und ich habe da etwas falsch oder überinterpretiert – mag sein. Es hat sich jedenfalls in diesem Moment richtig angefühlt, ihnen wenigstens anzubieten, nicht den gleichen Fehler zu machen wie ich, denn er war schmerzlich und bitter bezahlt worden. Möge die Sonne ihnen Klarheit und Freude bringen – nichts als Freude.

Wer weiß, welchen Samen ich durch meine Handlung, auch ohne die Geschichte erzählt zu haben, bereits gesetzt habe. Möglicherweise werden unsere Wege sich eines Tages wieder kreuzen und ich bin gespannt, ob sie dann bereit sind, zuzuhören. Bis dahin müsst ihr euch mit dieser Geschichte begnügen. Schönen Sonntag noch!

© Tristan Blau 2024-10-06

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