DIE GESUNDENUNTERSUCHUNG

Margaretha Husek

von Margaretha Husek

Story

Seit meinem vierzigsten Lebensjahr gehe ich alle zwei Jahre zur Vorsorgeuntersuchung. Heimkomme ich dann mit vielen ‘Arbeitsaufträgen’, die dann sukzessive abgearbeitet werden müssen. Das dauert so circa ein dreiviertel Jahr. Wenn ich dauernd zu einem Arzt gehen muss beziehungsweise mit Terminvereinbarungen zu tun habe, nervt mich das. Da fühle ich mich schon deswegen krank.

Das tägliche Achtel Rotwein am Abend schlürfe ich mit Genuss, da der Arzt nichts dazu gesagt hat, zusätzlich. Für den Kreislauf fehlt mir beim Sektkonsum derzeit das Wochenende in Gesellschaft, aber man kann sich damit auch zu Hause gesund halten. Ok, das Gewicht ist ein Problem. Da hilft es, wenn der Arzt selbst korpulent ist und somit ist das auch erledigt.

Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist, so regelmäßig den Arzt aufzusuchen. Das Blutbild war letztens nicht annähernd so hübsch wie ich. Die BIA Messung war wenig erfreulich, beim Radfahren hat mir die Kondition für eine letztgültige Aussage zur Herzgesundheit gefehlt.

Ich fühle mich jedes Mal zehn Jahre älter als vor jeder Vorsorgeuntersuchung. Dafür schaue ich nicht fern und im Radio entsage ich den politischen Nachrichten. Dann bleibe ich wenigstens psychisch gesund, rede ich mir ein.

Auch die halbjährlichen Kontrolltermine beim Zahnarzt werden penibel eingehalten. Auf dem Tischchen im Wartezimmer lagen vor der Epidemie Hefte mit den Zeichnungen von Manfred Deix, Gustav Peichl alias Karikaturist Ironimus, Donald Duck, Nick Knatterton, damit ich vorab schon übe, den Mund weit aufzumachen beim Lachen und die Zahnärztin es leichter hat bei ihrer Bohrarbeit. Doch jetzt sind diese Karikaturen auch verboten.

In jüngster Zeit treffe ich mich mit meinen Ärzten häufiger. Und immer wieder kehre ich mit der Erkenntnis der Sorglosigkeit mit Jugendsünden geläutert zurück. Natürlich würde ich rückblickend nun einiges vernünftiger und besser machen. Jedoch – offen gestanden – sehne ich mich auch der herrlichen, unüberlegten Unbekümmertheit der Jugend mit dem Gefühl des freien Flugs, der Unverwundbarkeit und herrlichen Verrücktheit nostalgisch zurück.

Wer glaubt, vollkommen gesund zu sein, ist bloß noch nicht gründlich genug untersucht worden.

© Margaretha Husek 2021-04-13