Die Glockengasse in Köln

Anna-Katharina Plach

von Anna-Katharina Plach

Story
Köln 2024 – 2025

Zwischen tristen Betonbauten steht es, als wäre es fehl am Platz. Das Haus, das die Zeit vergessen hat. Die neugotischen Türmchen auf der Fassade, die detailreichen Figuren und das Glockenspiel. Das Haus in der Kölner Glockengasse trägt eine der berühmtesten Nummern der Welt: 4711.

Ein angenehmer Duftschwall kommt mir entgegen, als ich das Haus betrete. Vor mir reihen sich Regale voller liebevoll gestalteter Flacons. Jeder Duft hat sein eigens Fläschchen. Ich schlendere durch den Verkaufsraum, bis ich diese Kombination aus Türkis und Gold entdecke. Sofort stellt sich bei mir dieses angenehme Gefühl ein, wie ich es hatte, als ich bei meiner Oma auf dem Schoß saß und sie mir Geschichten erzählte.

Wie damals, als ich als Kind den Flacon aus der Psyche im Schlafzimmer meiner GroĂźeltern nahm, nehme ich ihn auch hier und rieche daran. Unweigerlich muss ich meine Nase rĂĽmpfen. Ohne meine Oma ist dieser Geruch definitiv nicht derselbe. Ich drehe mich um und bemerke erst jetzt diese Vielfalt an GerĂĽchen, aber ohne, dass mir ĂĽbel wird.

Eine Mitarbeiterin fragt mich, ob ich diejenige sei, mit der sie telefoniert hätte. Ich bejahe und stelle mich vor. Julia, so heißt die Frau, führt mich die wunderschöne Treppe im Art déco Stil einen Stock höher und zeigt mir das kleine Museum, das die Geschichte des weltberühmten Kölnisch Wassers erzählt:

Die französischen Reiter auf der Fassade des Hauses sind ein Symbol für die Besetzung Kölns durch Napoleons Truppen im Jahr 1794. Deshalb spielt das Glockenspiel zu jeder vollen Stunde die Marseillaise, zu der sich die Reiterfiguren im Kreis bewegen. Damals nummerierte man die Häuser der Stadt, um sie besser verwalten zu können. Das Haus von Wilhelm Mülhens in der Glockengasse erhielt die Nummer 4711. Wilhelm Mülhens war ein Unternehmer. Seine Erfolgsgeschichte begann im Jahr 1792, als er eine Rezeptur für ein Duftwasser erwarb, das damals als wohltuendes Elixier galt. In der Kölner Glockengasse begann er mit der Produktion seines eigenen Eau de Cologne.

Lange Zeit war 4711 tatsächlich die „Marke der Großmütter“. In deren Jugend galt dieser Duft als jugendlich und elegant. Doch heute wirkt er, wie ich eben bemerkt habe, als verstaubt. Deshalb hat der neue Eigentümer völlig neue Düfte im aktuellen Stil eingeführt, wohl aber mit der Tradition von damals.

Julia lässt mich einige von ihnen riechen – und tatsächlich … eine ganz andere Note.

„Die basieren hauptsächlich auf natürlichen ätherischen Ölen“, erzählt sie.

Deshalb wird mir hier auch nicht ĂĽbel, wie sonst in einer ParfĂĽmerie. NatĂĽrlich kann ich dieses Haus nicht verlassen, ohne etwas mitzunehmen.

À bientôt, Köln!


© Anna-Katharina Plach 2025-01-31

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Informativ, Inspirierend, Reflective
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