Die Gluckenmütter

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Gluckenmütter möchten am liebsten ihre Flügel über ihr Küken breiten und es ewig beschützen. Sie übersehen einfach, dass ihr Kind gewachsen ist und eigentlich flügge sein sollte. Konflikte sind vorprogrammiert…

Die Nöte der Mütter (denn meist sind die Mütter oder Großmütter davon betroffen), die aus Angst vor einem trennenden Misston ihr Kind mit Obsorge überschütten, sind groß. Meistens handelt es sich um Frauen, die entweder ihren Partner verloren haben oder in der Beziehung schmerzliche Enttäuschungen erlitten haben. Das Kind ist nun ihr Lebensinhalt, den sie unter keinen Umständen verlieren wollen. Sie brauchen das Kind und machen alles, um es in dankbarer Abhängigkeit zu halten. Bei jeder Unlustäußerung des Sprösslings sind sie da, beruhigen es und decken es mit vermeintlicher Liebe zu. (Später allerdings wird der Heranwachsende oder Erwachsene kein Verhalten in seinem Repertoire haben, wie er selbst mit Unlust fertig werden kann, weil er gar nicht dazu kam, diese Situation ausprobieren und üben zu können.) Die überbesorgte Mutter versucht dem Nachwuchs alles „vorzukauen“, sie nimmt ihm alle Herausforderungen ab und fungiert als Schutzmauer zwischen ihm und der „bösen“ Außenwelt. Manchmal schildert sie auch dem Kind, wie gefährlich es „draußen“ ist, sodass es das Gefühl bekommt, nur zu Hause gibt es Geborgenheit, Sicherheit und Verständnis.

Wir können uns gut vorstellen, wie unselbständig ein Kind auf diese Art heranwächst.

Im Therapiealltag erlebte ich von Zeit zu Zeit Klienten, die aus dieser Verwöhnung heraus auch später eine übergeordnete Bezugsperson suchen, die ihnen ständig sagt, was sie tun und lassen sollen. Nun forderten sie von mir, als ihrer Psychotherapeutin, dass ich mir, wie früher die Mama, Lösungsvorschläge für allerlei einfallen lasse, möglichst ohne irgendeine eigene Anstrengung.

Diese Funktion kann selbstverständlich auch bei einem dominanten Partner oder einer „besserwissenden“ Partnerin gesucht und gefunden werden.

Wer nicht in so einer engen Bindung ersticken möchte, wird sich mit zunehmender Reifung einen Freiraum schaffen müssen. Das führt aber wieder zu massiven Verlustängsten auf der anderen Seite. Wenn es nicht möglich ist, durch gemeinsame Weiterentwicklung die Verstrickungen zu lösen (was aber Gott sei Dank durch Therapie recht gut gelingt!) kommt es oft zu sehr unerfreulichen Szenen: Schuldgefühle vermitteln, Erpressungsversuche bis hin zu Selbstmordandrohungen

© Ulrike Sammer 2022-12-11

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