Die Hand im Atlantik

Susanne Kuffner

von Susanne Kuffner

Story
Cádiz, Andalusien

Churros con chocolate in meinem Lieblingscafé auf der Plaza de las flores (die eigentlich Plaza Topete heißt, aber niemand nennt sie so!), dazu die aktuelle Morgenzeitung. Herz, was willst du mehr!
Zum wiederholten Male bin ich nun schon in Cádiz, meiner Schulstadt im spanischen Andalusien. Das Sprachdiplom habe ich längst in der Tasche, Niveau B2. Weiter werde ich wohl nicht kommen, ohne tatsächlich in Spanien zu leben, denke ich, und tunke genüsslich ein Churro in meine heiße Schokolade, die eher ein Pudding ist, als das ich sie trinken könnte.
Ich habe drei Sommer hier verbracht und sie immer genossen. Die freundliche Entspanntheit der Einheimischen nahm mich schnell fĂĽr sich ein und ich lernte bald alle Nachbarn im Haus meiner Wohngemeinschaft kennen.
Es ist schön, wenn man wiederkommt und mich der Verkäufer in der Freídura von schräg gegenüber begrüßt, als wäre ich eine gute Freundin. Und wenn die alte Dame aus dem winzigen Lädchen auf der Plaza Viudas – wo sie das Gemüse verkauft, das ihre Familie anbaut – mir extra die größte Wassermelone zur Seite legt, dann geht mir das Herz auf! Sonntags liege ich am Altstadt-Strand La Caleta inmitten hunderter bunter Sonnenschirme, weil die ganze Stadt anwesend ist und das Leben feiert, und ich fühle mich irgendwie daheim.
Überhaupt das Meer … unendlicher Sehnsuchtsort! Die Stadt ist umgeben davon, greift wie eine gespreizte Hand hinein in den Atlantik. Im Sommer ist die Hitze deswegen leichter zu ertragen als im Landesinneren.

NatĂĽrlich habe ich darĂĽber nachgedacht, hier zu leben. Was wĂĽrde mich fĂĽr immer an diesen Ort ziehen? Und was davon abhalten? Was wĂĽrde ich in meiner Heimat zurĂĽcklassen und in Spanien gewinnen?
Die typischen Klischees mit Sonne, Strand und Meer verschwinden schnell, wenn im Winter der kalte, feuchte Wind weht, das Meer wĂĽtend gegen die Felsen der Stadt brandet, und selbst die Gaditanos deswegen verdrieĂźlich werden.
Und meine Sprachkenntnisse muss ich auch außerhalb einer geregelten Arbeit anwenden können, aber … bei wem? Würde ich Freunde finden, mal abgesehen von den Besitzer:innen der kleinen Läden in der Altstadt. Würde das reichen, oder ich mich sehr schnell sehr einsam fühlen?
Dass die Baustelle an der Ecke nach drei Jahren immer noch nicht fertig ist, dass auf einer Hauswand steht „Cádiz – La capital del paro“ („Cádiz – die Hauptstadt der Arbeitslosigkeit“) macht auch nicht gerade Mut.
Was holt mich also in dieses Land? Was ist dort so viel besser als zu Hause? Im Urlaub ist alles großartig, die freie Zeit lässt mich unbeschwert in den Tag hinein leben. Aber was passiert, wenn auch hier der Alltag einzieht, ich Geld verdienen muss? Möchte ich wirklich in einer Stadt arbeiten, in der es sich so herrlich Ferien machen lässt? Würde dieser wunderbare Ort dann nicht seine Magie verlieren?

Ich habe erkannt, dass ein paar schöne Sommer in Cádiz nicht ausreichen, um dort auch schön zu leben. Ich werde dennoch immer wieder dorthin zurückkehren, die einzigartige Atmosphäre aufnehmen und genießen, ohne Druck, ohne Alltag und ohne das Gefühl, hier auf einmal etwas leisten zu müssen.
Denn das ist das Besondere an Cádiz: Die Stadt nimmt dich gerne mit offenen Armen auf, um einen Sommer lang dort zu leben! Doch sie lässt dich auch genauso gerne wieder ziehen.

© Susanne Kuffner 2025-02-11

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Reise
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Emotional, Inspirierend, Reflektierend
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