Die Handleserin vom Marchfelderhof

P-Hildegardsen

von P-Hildegardsen

Story

Diese Geschichte ist fast 20 Jahre her. Es war im Frühjahr und mein Freund / Lebensgefährte hatte aus beruflichen Gründen viele Beziehungen, die sich auch im Promibereich abspielten. Er wie ich liebten gutes Essen und so führte er mich auch einmal in den Marchfelderhof aus. Die Räumlichkeiten an sich sind schon ein Kuriosum, der Wirt gleich nochmal. Ich muß beides wohl nicht genauer beschreiben, denn man kennt alles zur Genüge aus den „Seitenblicken“ im Fernsehen und Magazinen.

Nach dem Essen war es üblich, daß an jedem Wochentag eine andere kurzweilige Unterhaltung geboten wurde. An unserem Besuchstag ging eine Handleserin von Tisch zu Tisch. All diese Dinge wie Kartenlegen, Tischerlrucken, Hypnotiseure usw. üben eine eigenartige Faszination aus und wecken gleichzeitig Skepsis in mir. Ich hatte Angst, daß man mit mir etwas machen würde, das ich nicht möchte oder daß ich fremd-beeinflußt würde. Skepsis und Neugier sind mir auch heute noch geblieben.

Eine Handleserin hatte ich bis dahin noch nicht persönlich erlebt und so wollte ich, daß sie lieber erst mit meinem Freund beginnen sollte. Er war welterfahren und kannte auch viele Tricks von seinen Reisen – also ihn zu manipulieren, würde niemandem so leicht gelingen. Wir saßen nebeneinander auf einer Bank und die Handleserin setzte sich auf einen Sessel gegenüber. Sie nahm seine Hand, strich einmal über die Handfläche, ein zweites Mal – und ließ seine Hand fallen, als hätte sie eine heiße Kartoffel angefaßt. F. verzog den Mund, schüttelte den Kopf und meinte halblaut „was ist denn in die gefahren??!“. Die Handleserin nahm dann sofort meine Hand und sagte mir einiges, an das ich mich nun nicht mehr erinnern kann.

Zwei Monate später hatten wir den schrecklichen Autounfall, bei dem F. gestorben ist. Und lange Zeit darauf kam mir diese Episode in den Sinn. Die Erinnerung an diese Situation im Marchfelderhof, die eigenartige Reaktion der Handleserin – ich bin ziemlich sicher, daß sie seinen nahen Tod gesehen hat. Anders ist es nicht zu erklären, was und wie das damals abgelaufen ist.

Nun, ich bin immer noch skeptisch und trotzdem glaube ich, daß es Menschen gibt, die eine gewisse Hellsichtigkeit und Ahnung haben. Für mich ist nur die Schwierigkeit, wie ich erkennen kann, ob mir nun jemand einfach ein „G’schichtl druckt“ oder ob es Wahrheit ist. Damit bleibt die Spannung und Ungewißheit erhalten.

© P-Hildegardsen 2019-06-23

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