von Ulrike Sammer
Wer nach Oberkärnten kommt, sollte nicht versäumen nach Altersberg hinauf zu fahren. Kurz nach Gmünd führt ein Sträßchen fast 1000 m höher zu einem alten Quellheiligtum. Es ist ein wahrer Leckerbissen für alle Freunde von Kultplätzen und für Geomanten. Bei der Meßnerin kann man einen Schlüssel für die gotische Lucia-Kirche bekommen. Links und rechts des Altares stehen die Statuen der beiden Augenpatroninnen, die jeweils auf einem Teller und einem Buch ein Augenpaar presentieren. Beide geben sozusagen ihren Segen, damit das „Augenbrünnl“, das sich in der Kirche befindet, den Heilungsuchenden wirklich hilft. Kulturhistorisch ist es allerdings eigenartig, dass beide Heilige hier vereint sind. Die heilige Luzia wurde ihres Glaubens wegen um das Jahr 300 n. Chr. hingerichtet. Ihr sind vor allem in Schweden viele Heiligtümer geweiht, aber in Österreich immerhin auch vier. Die heilige Ottilie, eine Herzogstochter aus dem Elsaß, lebte im 7. Jahrhundert. Ihre Blindheit wurde damals geheilt und zum Dank gründete sie ein Kloster. Die heilige Ottilie „verdrängte“ im Lauf der Zeit etliche Luzienheiligtümer. Die „Konkurrentinnen“ wurden in Altersberg auf einmalige und wundersame Weise wieder vereint. Im Himmel kann es doch keine Konkurrenz geben!
Das Kultobjekt selbst ist aber die Quelle, die direkt unter der Kirche gefasst ist. Selbstverständlich war aber die Quelle als heilbringendes Wasser schon weit früher da. Wie an so vielen Plätzen, die unter der Bevölkerung einen hohen Rang hatten, wurde später eine Kirche darüber oder zumindest daneben gebaut um die „heidnische“ Verehrung christlich zu verprämen. Da es sich bei den hochverehrten Kultorten aber niemals um beliebige Plätze handelte, sondern die Menschen von anno dazumal viel sensibler für die echten Kraftquellen der Natur waren, ist auch die Luziaquelle nicht irgendeine Quelle. Man erzählt von allerlei Wunderheilungen und auch heute noch pilgern zahlreiche Menschen hierher um sich das Augenwasser in Flaschen mit nach Hause zu tragen.
Quellheiligtümer sind übrigens fast überall „Augenbrünnl“ (und mein Mann und ich haben schon unzählige aufgesucht). Die Menschen früherer Zeiten hatten durch den Rauch der offenen Feuer in ihren Häusern sehr häufig Augenleiden und waren für jedes absolut reine Wasser dankbar. Trotz allem ist es nicht klar erkennbar, warum sauberes Wasser nur zum Augenauswaschen benützt wurde, da auch andere Krankheiten gutes Wasser dringend benötigten. Es mußte also doch eine spezifische Wirkung haben.
Die Meßnerin zeigte uns gerne die kleine unauffällige Falltüre vor dem seitlichen Marienaltar. Das Brett konnte gehoben werden und mittels eines urtümlichen Schöpfers entnahmen wir Wasser und füllten es durch einen bereit gestellten Glastrichter in die mitgebrachte Flasche.
Die heilige Luzia möge uns beistehen. Oder ist es vielleicht doch die heilige Ottilie?
© Ulrike Sammer 2025-04-09