Jahr 1939: Erikas Herz schnĂŒrte sich in ihrer Brust zusammen, als ihr Mann an die Front gerufen wurde. Sie wussten, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen war und doch war dieser kleine Hoffnungsschimmer vorhanden gewesen … Dass der Krieg bald endete, oder sie doch einen Weg fanden, um nicht getrennt zu werden. Sie erinnerte sich gut daran, wie ihr Mann William sie am Tag seiner Abreise in die Arme schloss und ihr beruhigend ĂŒbers Haar strich. âWir werden nicht fĂŒr immer getrennt sein. Bald, da sehen wir uns wieder. Ich komme Heim zu euch.â Die Sorge, ihren Mann zu verlieren, teilte sie mit unzĂ€hligen Frauen und doch ĂŒbermannte sie der Kummer. Sie musste nun stark sein, fĂŒr sich und ihr kleines MĂ€dchen. William drĂŒckte seiner neugeborenen Tochter einen Kuss auf die Stirn und lĂ€chelte bei ihrem Anblick. Sie war sein ganzer Stolz. Nach seiner Abreise kam Erika bei Verwandten ihres Mannes unter und seine Briefe waren das Einzige, was ihr ĂŒber die Zeit blieb und erleichterten ihr jedes Mal das Herz. Sie berichtete ihm alles von seiner Tochter und bangte dabei jeden Tag um sein Leben. Es war unfair, dass er nicht mit ansah, wie sein Kind heranwuchs und all die wertvollen Augenblicke ihres Lebens verpasste.
Im Jahre 1943 fand Erikas Hoffnung ein jĂ€hes Ende. Sie kaufte am frĂŒhen Morgen ein Laib Brot, als ihre Schwiegermutter auf ihre RĂŒckkehr wartete und mit kummervoller Miene empfing. Das Brot rutschte der jungen Mutter aus der Hand und sie begann zu schluchzen. Sie erhielten einen Brief mit Williams Erkennungsmarke. Er war an der Front gefallen, ohne das sein Leichnam geborgen wegen konnte. Erikas Welt brach binnen Sekunden zusammen und die Trauer stieĂ sie in ein tiefes Loch. Wie viele Jahre betete sie um das Leben ihres Mannes? Wie lange wartete sie auf seine RĂŒckkehr? Und nun war alles vergebens … William war fort und Erikas Tochter wĂŒrde niemals ihren Vater kennenlernen. Ihr war nicht bewusst, dass sie zu Boden gesunken war und ihr Kleid vom feuchten Gras durchnĂ€sst wurde, bis sich eine kleine Hand auf ihre Schulter legte und sie in die sanftmĂŒtigen Augen ihres Kindes blickte. Ihre Tochter war noch so klein und doch verstand sie, was geschehen war. Sie spendete ihrer Mutter Trost und Geborgenheit, die sie nun bitter nötig hatte.
Jahr 1945: Das Ende des Krieges nahte und die ĂŒberlebenden Soldaten kehrten heim. Es war ein sonniger Tag, als Erika ihre Tochter auf einer Schaukel anschubste. âHöher, Mami!â, rief das MĂ€dchen begeistert. Erika sah im Sonnenlicht das Metall an der Halskette ihrer Tochter funkeln. Seit dem Tod ihres Vaters trug sie Williams Erkennungsmarke stets bei sich. Egal, was ihre GroĂmutter davon hielt, niemand konnte dem Kind das letzte ErbstĂŒck seines Vaters nehmen. Plötzlich flog etwas durch die Luft und das Kind hörte auf zu schaukeln und fasste sich panisch an die Brust. Die Kette musste sich von ihrem Hals gelöst haben. âSie kann nicht weit sein. Keine Sorge, Liebes.â Erika sah bereits das Metall am Boden funkeln und griff danach. Sogleich spĂŒrte sie eine warme Hand auf die ihre. Erschrocken hob Erika den Kopf. Etwas blendete sie in der Sonne, ehe sie die zweite HĂ€lfte einer Erkennungsmarke auf eine uniformierte Brust erkannte. William.
Er war zu ihnen zurĂŒckgekehrt, so wie er es versprochen hatte.
© Michelle Schymkowitz 2023-06-15