von Jökull
Ungefähr eineinhalb Tage dauert es von Leuchtturm zu Leuchtturm durch die Biskaya. Vor uns liegt auf knapp 250 Meter Höhe Kap Finisterre, dahinter die Küste Galiciens. Finisterre bedeutet so viel wie das Ende des Landes. Das Äquivalent im englischen Cornwall heißt Land’s End. Cabo Finisterre ist der eigentliche Schlusspunkt der Pilger auf dem Jakobsweg. Von Santiago de Compostela sind es noch sechzig Kilometer auf dem Camino a Fisterra.
Entgegen der naheliegenden Vermutung ist Finisterre nicht der westlichste Ort der iberischen Halbinsel. Der heißt Cabo Roca und liegt vierzig Kilometer vor Lissabon an Iberiens Nasenspitze.
Wir begegnen wieder Booten, die hier nach Sardinen, Thunfisch und Kalmar fischen. Gelegentlich sehe ich durchs Fernglas entgegenkommende Frachtschiffe. Ein Stück weiter südlich lässt sich im Schutz der Küste der spanische Fischerei- und Handelshafen Vigo erahnen. Einige Stunden weiter bewegen wir uns bereits vor der portugiesischen Küste in der Nähe von Porto. Am Abend leiste ich dem Kapitän auf der Brücke Gesellschaft. Der überlässt mir für einige Minuten die Brücke, um über Radio Lisboa einen Funkspruch an die Reederei abzusetzen.
Das Schiff bewegt sich im Bereich der sogenannten „mittleren Fahrt“. Diese umfasst grob alle europäischen küstennahen Seegewässer. Island, Spitzbergen und die Azoren gehören nicht dazu. Der Kapitän und der erste Offizier bzw. der Steuermann teilen sich den Wachdienst auf der Brücke. Alle sechs Stunden wird gewechselt. Der jeweils Abgelöste hat dann sechs Stunden Freiwache. Je nach Tageszeit isst er etwas in der Messe oder schläft eine Runde. Auf größeren Schiffen mit mehr Personal ist der Drei-Wachen-Dienst üblich. Vier Stunden Wache folgen acht Stunden Freiwache. Auf unserem Schiff wird das Zwei-Wachen-System praktiziert.
Entdecken wir auf dem Radarschirm ein Schiff, wird mit dem Fernglas Ausschau gehalten. Zuerst wird versucht, seine Bauart zu bestimmen. Ist die Farbe Grau, begegnen wir höchstwahrscheinlich bald einem Marineschiff. Ist der Rumpf weiß, könnte es sich um ein Passagier- oder Kühlschiff handeln. Kommt es näher, lässt sich anhand des Schornsteins die Reederei identifizieren. Hat das Schiff einen oder mehrere Masten, dürfte es ein Segler sein. Sind die Masten hoch und mit Rahen versehen, handelt es sich um einen Großsegler. Ab einer gewissen Entfernung ist auch der Schiffsname am Bug zu erkennen. Der Name gibt einen weiteren Hinweis auf Reederei oder Nationalität. Dann trägt noch die Flagge am Heck zur Schiffsbestimmung bei. Mit etwas Übung hat man schnell den Bogen raus und einen Blick für besonders interessante Schiffe.
Das Schiff verfügt über eine Selbststeueranlage. Der festgelegte Kurs wird bis zum nächsten Kursänderungspunkt eingestellt. Die Ruderanlage reagiert, sobald der Kompass eine Abweichung vom Kurs wahrnimmt. Die nächste planmäßige Kursänderung wird am Kap São Vicente stattfinden.
© Jökull 2021-03-20