Die Jungschar

Martina Yamashita

von Martina Yamashita

Story

Marina bekam sonst nie Post, aber der Brief war an sie adressiert. Eine Einladung zur Jungschar. Mama erklärte ihr, dass das eine Gruppe in der Kirche war, bei dem viele Kinder zusammen kamen und spielten, aber auch miteinander redeten. „So ähnlich wie die Pfadfinder. Das hab ich nämlich in deinem Alter gemacht“, erklärte Mama stolz. Und weil mit Kindern spielen toll klang und aus Marinas Klasse auch andere Kinder zu einer Schnupperstunde gingen, probierte sie diese Jungschar aus. Der Treffpunkt war vor dem Pfarrhaus und man ging in den letzten, dritten Stock hinauf. Durch ein enges Stiegenhaus, das am Ende in ein großes, geräumiges Zimmer endete. Vom Fenster aus konnte man sogar ihre Schule sehen! Und damit begannen wunderbare sieben Jungscharjahre, mit vielfältigem Programm. Heute weiß man vielleicht gar nicht mehr, was diese Jungschar sein soll. Es ist ein Ort um Kind zu sein, selbstständig etwas zu erleben und den eigenen Charakter besser zu verstehen und kennenzulernen. Man lernt die Augen zu öffnen, über den Tellerrand zu gucken und hat dabei auch noch viel Spaß. Marina hatte gelernt, dass viele die Jungschar komisch fanden, weil sie mit der Kirche in Verbindung stand. Deshalb erklärte sie immer: „Manchmal reden wir über Gott und Jesus, aber nicht oft. Die Geschichten sind auch sehr spannend. Am Ende der Stunde bekomme ich das gehörte oft nicht aus dem Kopf!“ Meistens spielten sie sowieso nur lustige Spiele – eine Modenschau oder Ballspiele im Pfarrhof – und an manchen Tagen machten sie eine Beautyfarm, bei der meditiert wurde, man sich eine Gesichtsmaske auftrug und dann zu entspannter Musik eine Traumreise machte. Im Sommer gab es Picknicke oder Eisessen, im Winter auch Mal Eislaufen. Und dann gab es die ernsten Themen, die man besprach. ‚Was ist mir wichtig in einer Beziehung?‘ stand da eines Tages auf einem Plakat – und viele Werte, die man reihen durfte. ‚Was bringt mich auf die Palme?‘. Zugegeben, das war für Marina nicht die schönste Stunde. Aber eines ist klar: Wenn Marina heute an ihre Jungscharzeit denkt, dann sind ‚Gott‘ und ‚Jesus‘ nicht die ersten Wörter, die ihr in den Sinn kommen.

© Martina Yamashita 2021-07-09

Hashtags