von Hermann Karosser
story.one ist eine ErzĂ€hlplattform. Auf der kann ich Geschichten schreiben und veröffentlichen. Heute möchte ich aber unbedingt etwas schreiben, wovon der Hauptteil keine Geschichte ist, sondern eine Erkenntnis von mir, eine Lebensweisheit. Seiâs wie es sei ich nenne es einfach âGeschichte ĂŒber einen Fernsehbeitrag, den ich neulich gesehen habeâ.
âNuhr im Erstenâ ist eine wöchentliche Kabarettsendung im deutschen öffentlichen Fernsehen. Sie ist bekannt fĂŒr bissigen Humor und kritische Auseinandersetzung mit politischen UnzulĂ€nglichkeiten bis hin zu âalltĂ€glichem Irrwitzâ. Neben Dieter Nuhr treten weitere KĂŒnstler aus diesem Metier auf, regelmĂ€Ăig auch Lisa Eckhart. Die gebĂŒrtige Ăsterreicherin scheint keine Tabus zu kennen und versteht es, auch mit ihren auĂergewöhnlichen Outfits Beachtung zu finden. Ich weiĂ nicht, ob ich sie mag, die Lisa Eckhard, aber in der letzten Sendung hat sie einen Satz gesagt, der mir tatsĂ€chlich in mancher Hinsicht ganz neue Betrachtungsweisen zu unserer Gesellschaft in ihrer jetzigen Situation eröffnet hat. Ich zitiere: âWer nach Deutschland kommt, der muss seine eigene Religion mitbringen, denn hier wird er keine mehr finden.â …
Wow!
Meine Schwiegertochter mit tĂŒrkischen Wurzeln, die in Deutschland geboren ist und nie in der TĂŒrkei gelebt hat, sagt: âIch werde mit meinem Kind nur tĂŒrkisch sprechen, weil das meine Kultur istâ. Ich setze aus Lisa Eckhards Bemerkung das Wort âReligionâ gleich mit âKulturâ, denn Kultur ist meist an der Religion orientiert. Unser Jahresablauf mit Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Erntedankfest, Allerheiligen, Advent ist weitestgehend an Festen der christlichen Kirchen orientiert und auch privat sind Lebensstationen wie Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit, Beerdigung von christlichen Vorgaben geprĂ€gt, ob man nun religiös ist oder nicht. All das war immer Teil unserer Kultur genauso wie Fronleichnamsprozessionen, Leonhardiritte und dergleichen mehr.
Wird mein Sohn mit seinem Kind bayerisch sprechen, weil das seine Kultur ist? Wohl kaum, denn sie leben in MĂŒnchen und da spricht doch kaum jemand noch Dialekt. Aber die Frage ist eine ganz generelle: Was an Kultur haben wir Bayern und drĂŒber hinaus Deutschen noch, um es unseren Kindern mitzugeben? Das Dirndl und die Lederhosen auf dem Oktoberfest sind es bestimmt nicht, das hat mehr und mehr etwas von âFaschingskostĂŒmierungâ. Die Volksmusik wurde durch kommerzielle GroĂveranstaltungen wie den Musikantenstadl zur Lachnummer und der Dialekt verliert, wie gesagt, mehr und mehr an Bedeutung, gefördert durch die allgemeine âVereinfachungâ unserer Sprache. Wer landestypische Gerichte wie Schweinebraten und WeiĂwurst zu sich nimmt wird von TierschĂŒtzern kriminalisiert und GlockengelĂ€ut genauso wie Kuhglockenklang ist Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Traurig und resignierend ziehe ich frei nach Lisa Eckhard den Schluss: Wer nach Bayern kommt, der muss seine eigene Kultur mitbringen, denn hier wird er keine mehr finden. – Schade!
© Hermann Karosser 2024-11-27