Die Kaffeemaschine

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von psychologystories

Story

Lust habe ich eigentlich keine. Trotzdem muss ich aufstehen. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht starte ich also meinen Tag wie jeder andere. Die Augen nur halb geöffnet, der Körper noch schlapp und schwach. So starte ich also. Meinen Arbeitstag. Wie jeder andere. Der Gang ähnelt einem betrunkenen Mann, der früh morgens erst nach Hause gekommen ist. Mit diesem Gang bewege ich mich Richtung Kaffeemaschine. Mein bester Freund übrigens. Die Kaffeemaschine. Sie hilft mir dabei, überhaupt ins Auto zu steigen. Sie unterstützt meinen Körper. Allerdings nur für wenige Stunden. Bis dann der nächste Kaffee aus der Maschine tropft. Während ich dem Kaffee zusehe, wie er mit intensivem Geruch von der Maschine zur Tasse hinunterläuft, denke ich mir, warum ich nicht einfach ein Glas Wasser trinke. Allerdings hilft mir das Wasser nicht. Zumindest nicht so sehr wie mein bester Freund. Die Kaffeemaschine.

Nach der Arbeit liege ich in meinem Bett. Hätte grundsätzlich noch einige Dinge zu erledigen. Antriebslos liege ich in meinem Bett. Scrolle durch Social-Media Plattformen wie Instagram oder TikTok. Ich sehe mir Videos an. Viele Videos. Viele Videos von glücklichen Menschen. Ich denke mir, was das wohl für ein Gefühl sein muss, glücklich zu sein. Muss schön sein, denke ich mir.

Die letzte Mahlzeit ist schon ein paar Stunden her. Hunger habe ich eigentlich keinen. Schlussendlich muss ich aber irgendwas essen. Um überhaupt zu funktionieren. Mein bester Freund, die Kaffeemaschine, ist langsam genervt. Ich komme schon das fünfte Mal zu ihm. Er hätte sicher auch gerne eine Pause, denke ich mir. Ich kann das verstehen. Trotzdem gibt er mir meine Kraft, mich überhaupt zu bewegen. Ich glaube, er kann das verstehen.

Es ist nicht wirklich eine Müdigkeit, die meinen Alltag einschränkt. Nein, denn wäre es Müdigkeit, wäre ich glücklich. Dann könnte ich schlafen gehen. Schlafen kann ich aber nicht. Nein, ich bin einfach antriebslos. Kann mich nicht dazu überreden, etwas Sinnvolles zu machen. Schade eigentlich. Ich hätte so viele Möglichkeiten. Schlussendlich liege ich aber in meinem Bett. Nicht schlafend und nicht lesend. Ich sehe mir Videos an. Von glücklichen Menschen. Ich finde es schön, wenn Menschen glücklich sind.

Schade, es ist schon wieder Abend. Mein Zimmer verdunkelt sich, der Fernseher wird eingeschalten. Nein, nicht um etwas Schönes anzusehen. Wie einen Film oder eine Serie. Nein, der Fernseher läuft nur im Hintergrund. Er gibt mir das Gefühl, nicht alleine zu sein. Mein zweitbester Freund würde ich behaupten, der Fernseher. Liegend und mit halb geöffneten Augen warte ich also. Ich warte, auf das Gefühl, das kurz durch den Körper läuft, bevor ich einschlafe. Eigentlich kein schönes Gefühl. Es fühlt sich an, als würden tausende Ameisen auf meinem Körper krabbeln. Für mich aber ein wichtiges Gefühl. Denn nur dieses Gefühl ist schön. Es ist schön, weil es mir zeigt, dass ich gleich einschlafen werde. Ich freue mich schon auf meinen besten Freund am nächsten Morgen. Die Kaffeemaschine.


© psychologystories 2024-01-10

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Dunkel, Emotional, Traurig
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