Die Kaufhäuser

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Es war für mich ein Fest, wenn ich in den 50-er-Jahren mit meiner Mutter auf die Wiener Mariahilferstrasse fuhr. Damals war es die einzige Strasse, auf der drei gro0e „Warenhäuser“ (wie man damals sagte) waren: Gerngross, Herzmansky und Stafa. Die Anziehung war allgemein sehr groß, sodass sich ein dichter Strom von Menschen aus Wien und Umgebung über den Gehsteig wälzte. Nicht wie heutzutage vor Weihnachten, sondern das ganze Jahr über. Man ging ja vor allem „Auslagen anschauen“. Nach der kargen Nachkriegszeit waren das Wunderwerke. Dass man hier vom Parterre bis in die oberen Stockwerke wirklich alles (außer Lebensmittel) bekam, war ein Paradies. Man konnte auch einfach herumgehen und alles genau betrachten, ohne dass man von eifrigen Verkäuferinnen behelligt wurde. Die waren anderswo beschäftigt um das Chaos, das die Kundinnen angerichtet hatten, wieder zu beseitigen.

Um die Interessentinnen auch ins Haus hinein zu locken, hatte man „Wühltische“ aufgestellt. Trauben von Menschen bemühten sich einen Platz an vorderster Front zu erkämpfen. Es gab vor allem billige Stoffreste, genau mit Länge und Preis ausgezeichnet. Damals nähte man meist selbst und konnte aus Stoffstücken etwas Neues billig zusammenstellen.

In vielen Haushalten gab es noch alte Singer- oder Pfaff- Tretnähmaschinen. So auch bei uns. Die Gier der potentiellen Schneiderinnen war groß – auch bei meiner Mutter. (Ich besitze auch jetzt noch einen Sack voll mit größeren Stoffen, die aber nie vernäht wurden, da man langsam immer öfter zu fertigen Kleidungsstücken griff).

Besonders reizvoll war die Parfumerieabteilung. Die Düfte waren atemberaubend. Ich kannte ja damals nur Nivea-Creme. Später benutzte ich auch die Wimperntusche „La bella nussy“.

An Parfums war mir nur „chat noir“ geläufig. Aber in dieser wunderbaren Abteilung gab es auch Probefläschchen, mit denen man etwas auf ein kleines weißes Kärtchen sprühen konnte. Dann fächelte man ein bisschen in der Luft umher und schnupperte. Diese Mischung nahm einem fast den Atem.

Nun gab es aber noch eine Attraktion, die man unbedingt ausprobieren musste: Es gab hier die erste Rolltreppe. Sie war schmal und ging nur hinauf. Jede Stufe war etwas wackelig und machte ein komisches Geräusch. Ich sah ängstliche Neulinge, wie sie sich an den Handlauf klammerten. Oben angekommen musste man schnell sein und herausspringen. Manche hatten Angst, dass ihre Schuhe sonst hängenbleiben und sie zu Sturz kommen könnten.

Hinunter musste man über die breite, pompöse, geschwungene Treppe, denn es sollte ja möglichst viel in den Stockwerken bewundert werden.

Nach dem Stress des Gedränges und der allzu vielen Eindrücke, gönnten sich meine Mutter und ich einen Besuch im nahen „Quisisana“. Auch solche Selbstbedienungsrestaurants hatte man vorher nicht gesehen. Ich freute mich schon die ganze Zeit auf ein Mayonaise-Ei oder eine Schinkenrolle.

© Ulrike Sammer 2023-04-04

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